Der Hungermaler : Erzählung

Flöss, Helene, 2007
Bücherei Zams
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Reservierungen 0Reservieren
Medienart Buch
ISBN 978-3-8 4f2 5218-541-5
Verfasser Flöss, Helene Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Verlag Haymon
Ort Innsbruck
Jahr 2007
Umfang 113 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Helene Flöss
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Rebecca Englert;
"Kreative Liebe" fällt Perfektionismus und Pflegealltag zum Opfer. (DR)

Der Maler Peter Franz schwärmt für den italienischen Maler Piero della Francesca, deswegen nennt sie ihn auch so: Piero. Sie, Penelope, ist Kunstweberin und von knabenhafter Gestalt. Er hätte ihren Körper gern kurviger, weiblicher - was seinem ästhetischen Empfinden entgegenkommen würde. Nur: Er bringt seine Zeichnungen ohnehin nie zu einem Ende. Sein Werk besteht bisher nur aus unzähligen Skizzen, zu mehr ist es nie gekommen - aus Angst, die eigenen Erwartungen nicht zu erfüllen. Als die Geliebte sich von Piero trennt, will er aus Rache Penelope, die Unvollkommene, auslöschen. Stattdessen haucht stellvertretend seine pflegebedürftige Mutter ihr Leben unter Umständen aus, die nicht ganz klar sind, und es kommt zum Prozess. Erst die Trennung von Penelope und die Haft befähigen Piero, Bilder nicht nur zu beginnen, sondern auch zu vollenden.
Ästhetischer Anspruch, der zum Exzess wird und zum Tod der Mutter führt, machen aus dieser Geschichte über die Liebe zweier künstlerisch veranlagter Menschen einen atmosphärisch dichten Roman, in den auch die Alterspflegethematik stark hereinspielt. Insofern ist es der Autorin, die heute im Burgenland lebt, gelungen, trotz der Kürze des Textes ein breites Themenspektrum mit gesellschaftlichen Aspekten abzudecken. Ungewöhnlich und nahegehend.

----
Quelle: Forschungsinstitut Brenner-Archiv (http://www2.uibk.ac.at/brenner-archiv/);
Autor: Birgit Holzner;
Helene Flöss reiht in ihrer knappen Erzählung Der Hungermaler einen Mosaikstein an den anderen. Dabei entsteht das steinbruchartige Bild des Malers Piero, dessen Leben sich zunächst auf die Mutterküche, dann auf deren Schlafzimmer und schließlich, nachdem er seiner Mutter geholfen hat zu sterben, auf eine Gefängniszelle beschränkt ("Auch das Erdloch im Friedhof würde ihm also groß genug sein"). Der Strich seiner Zeichnungen ist wie ein endloser Faden, der aus Ariadnes Hand rinnt. Seine Kompositionen hält er, der für klassische Musik schwärmt, nicht für ausgereift, seine Bilder halten die Versprechen, die in sie gesteckt werden, nicht ein. Nichtsdestotrotz lobt der Wärter seine Seiltänzerin ohne Netz in Punkto Perspektive, Berechnung der Schatten, Lichteinfall und Spiegelung als vollkommen, doch der zum Übersetzer gewordene Dichter und Hungermaler, der früher bis zur Sperrstunde im Kunsthistorischen Museum von Tizian, Caravaggio und Cranach Kopien angefertigt hat, glaubt längst auch ohne Perspektiven auszukommen: denn nichts sei peinlicher als ein misslungener Selbstmord. Ob sein Glück, wie er es verspricht, auf seine Penelope, die Weberin Magdalena zurückfallen würde, bleibt fraglich, denn "was ist von einem Glück zu halten, das nur lebt, wenn ein anderer der eigenen Begehr entspricht?"
Auch Magdalenas Welt entsteht aus der Linie, sie denkt in Farben und verwebt Seidenfäden zu erlesenen Tapisserien, ihre Arbeiten sind fließende Traumwelten aus Formen und Farben. Sie lässt sich von Piero aber nicht nach dessen Vorstellungen formen, "es ist wie bei einem Ornament: Ändert man ein Motiv, ist die Übereinstimmung gebrochen." Erst wenn auch alle vorhergehenden und nachfolgenden Elemente geändert werden, erhält das Muster wieder seinen Zusammenhang. Ihr Beisammensein beschränkt sich längst auf das abendliche Hören von Ö eins, zu dem sie, auf Pieros Vorschlag hin, getrennt und doch gemeinsam einschlafen. Ihr Versuch, Piero aus den Fängen seiner pflegebedürftigen Mutter, die von ihrem Leben noch so manches einzuklagen hat, zu befreien, bringt ihn ins Gefängnis. Im Alter starrsinnig geworden, kühlt die Mutter im Winter Milch und Butter trotz Pieros Behauptung, es mache dem Kühlschrank nichts aus, neben Zander und Blunzn auch noch Milch zu kühlen, vor dem Fenster, und sie gäbe im Zweifelsfall vor ihren osteuropäischen Pflegerinnen noch dem Tod den Vorzug.
Helene Flöss sagt in Der Hungermaler nur das Nötigste, ihre Erzählung kommt ohne Erzähler aus, ihre Sprache ist karg, aber lyrisch, ihre Sätze einfache Fäden in einem Wandteppich, bunte Mosaiksteine, die sich der Leser selbst Stein für Stein, Wort für Wort zu einem Bild fügen muss. Dann gibt es allerdings viel zu entdecken in dieser modernen Version des Penelope-Stoffs, vor allem die Kritik an einer Gesellschaft, die ihre Kinder in Horte, ihre Alten in Heime steckt. Helene Flöss' kurze Erzählung ist raffiniert, farbenprächtig und harmonisch: "Harmonie, diese schlicht gebändigte Sehnsucht, sie singt und trauert so vor sich hin."

----
Quelle: Pool Feuilleton;
Sogenannte echte Künstler erleben nicht nur die Welt manchmal als unerträglich, auch die Erotik flippt öfter einmal in seltsame Seitengassen der Empfindung aus, wenn sie von Künstlern ins Spiel gebracht wird.
Helene Flöss stellt in ihrer Erzählung "Der Hungermaler" zwei erotisch extravagante Typen vor. Sie ist eine perfekte Weberin, die vor allem im sakralen Bereich hinreißende an der Schöpfung angelehnte Altartücher und andere gewebte Devotionalien kreiert, er ist ein Hungermaler, weil er nichts zu beißen hat und auch selten über die Phase der Entwürfe hinauskommt.
Die beiden tun sich in einer Tunke aus Erotik und Kunstsinn zusammen, wobei er natürlich immer wieder an der Frau herum modelliert wie an einer Statue. "Suchst du ein Modell oder eine Geliebte?" sagt die Weberin einmal ziemlich sarkastisch. (76)
Aber der Hungermaler will seine dürre Geliebte unbedingt etwas üppiger ausgestattet, immerhin schwärmt er von italienischen Malern und satten Formen, so dass seine Geliebte immer wieder eine Mastkur hinlegt und beispielsweise in sieben Wochen fünf Kilo zunimmt. (91)
Aber auch die edelste Künstlerliebe wird ständig vom Alltag bedroht. Aus Mitleid verabreicht der Maler seiner Mutter, die ein hoffnungsloser Pflegefall ist, eine Überdosis an Medikamenten. Noch während des Begräbnisses wird er als Muttermörder verhaftet und muss für fünf Jahre ins Gefängnis.
"Kunst, die kein Mitleid kenne, sei keine", meint der Maler als generelle Entschuldigung. (82)
Im Gefängnis entstehen Skizzen, Meditationen, gezeichnete Minimalstrukturen, die anschließend in provinziellem Rahman auf Schloss Esterhazy ausgestellt werden. Die noble Provinzgesellschaft leistet sich somit einen gezeichneten Blick auf die Gefängniswelt und redet mit näselndem Duktus über die Höhen der Kunst und die Tiefen des Strafvollzugs.
Die Gespräche des Künstlerpaares schwappen an manchen Tagen völlig vom Alltag weg und widmen sich der Kunstbetrachtung. Bei der Analyse des einen oder anderen Kunstwerks wird auch die Analyse selbst zur Kunst, an manchen Tagen scheint das Liebespaar ein Stück Kunst zu erleben und verliert dabei zwischendurch das handfeste Leben.
Der Titel Hungermaler lässt natürlich sofort an den Hungerkünstler von Kafka denken, die Askese als Profession, die hellwachen ausgehungerten Sinne als Triebkraft für die wahre Kunst. Gleichzeitig kommt auch der Hungerwahn von Models und anderen Kunstfiguren zur Sprache, inwiefern kann man seinen Körper ironisch modellieren und ab wann wird es eine ernste Sache.
"Der Hungermaler" ist eine an manchen Stellen leicht ironische Erzählung über die Höhen und Überhöhungen einer Kult-erotischen Beziehung.
Helmuth Schönauer
Bemerkung Katalogisat importiert von: Rezensionen online open (inkl. Stadtbib. Salzburg)
Exemplare
Ex.nr. Standort
11645 DR.E, Flö

Leserbewertungen

Es liegen noch keine Bewertungen vor. Seien Sie der Erste, der eine Bewertung abgibt.
Eine Bewertung zu diesem Titel abgeben