Hagard : Roman

Bärfuss, Lukas, 2017
3 Sterne
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-8353-1840-3
Verfasser Bärfuss, Lukas Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Literatur, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Schweiz, Koala, Stadt, Roman, Stalking, Verfolgung, Wahrnehmung, Deutschsprachige Literatur, Gegenwartsliteratur, Buchpreis, Gegenwart, Obsession, Handeln, selbstbestimmtes Handeln, Preis der Leipziger Buchmesse, Preis der Leipziger Buchmesse 2017, Nominierung, Dramatiker
Verlag Wallstein Verlag
Ort Göttingen
Jahr 2017
Umfang 173 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage [1. Aufl.]
Sprache deutsch
Annotation Angaben aus der Verlagsmeldung



Hagard : Roman / von Lukas Bärfuss


Ein Mann, eben stand er während des Feierabendgedrängels noch am Eingang eines Warenhauses, folgt aus einer Laune heraus einer Frau. Er kennt sie nicht, sieht sie auch nur von hinten, aber wie in einem Spiel sagt er sich: Geht sie dort entlang, folge ich ihr nicht weiter; geht sie in die andere Richtung, spiele ich das Spiel noch eine kleine Weile weiter. Es bedeutet ja nichts, niemand kommt zu Schaden, und der Abstand in der Menge ist so groß, dass die Frau es gar nicht bemerken wird. Eher ist es eine sportliche Aufgabe, sie in der Menge nicht zu verlieren.
In einer knappen Stunde hat Philip ohnehin einen wichtigen Termin. Aber schon fragt er sich, ob der nicht auch zu verschieben wäre, bis zur Abendverabredung bliebe ja noch etwas Zeit. Was ihn bewegt, ist erst einmal unklar. Ist der Verfolger einfach ein gelangweilter Schnösel? Ein Verrückter? Ein Verbrecher? Er scheint selbst vor etwas zu fliehen.
Etwas Bedrohliches liegt in der Luft, etwas Getriebenes. Ein atemloser Sog entsteht, in den auch der Leser gerät, je länger die Verfolgung anhält. Allen Sinneswahrnehmungen haftet etwas beunruhigend Surreales an. Die aufgerufenen Fragen über unsere Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert gewinnen eine unabweisbare Schärfe.


Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Elisabeth Zehetmayer
Obsessives Begehren stürzt einen Möchtegern-Wildling ins Verderben - eine alptraumhafte Groteske. (DR)

Hagard bezeichnet in der Diktion der Jäger einen "Beizvogel, der zur Zeit der Gefangennahme das Alterskleid trägt", im Französischen bedeutet hagard "wild, verstört" und im Englischen ist haggard "ein fertig aussehender Mensch, der zu wenig schläft". All dies trifft auf unseren Protagonisten Philip, einen etwas aus der Form geratenen Liegenschaftsentwickler Ende 40, im Laufe des Geschehens zu. Seine Geschichte bringt uns ein auktorialer Erzähler nahe, der bereits zu Beginn gesteht, dass er nichts begreift und die Sache zu groß für ihn sei. Als Zeuge jener 36 Stunden im März will er vollständig und ungeschönt über die Ereignisse berichten, doch beim Versuch, Philips eigentlich simple Geschichte zu Papier zu bringen, muss er immer wieder pausieren.

Schauplatz ist eine Schweizer Stadt, vermutlich Zürich. Wie die meisten Einwohner führt auch Philip ein extrem ereignisloses Leben. Bis der Anblick eines Paars pflaumenblauer Ballerinas alles ändert. Völlig fasziniert folgt Philip scheinbar unbemerkt einer unbekannten Schönen. Immer weiter treibt er das nach der guten Sitte verbotene Spiel, vernachlässigt all seine Verpflichtungen und gerät in immer surrealer wirkende, groteske Situationen. Bereits auf Seite 7 ist klar, dass dieses Begehren auf den Tod treffen muss…

Der mehrfach ausgezeichnete Schweizer Romancier und Dramatiker Bärfuss schafft in diesem schmalen Roman, der mehr den Charakter einer Novelle trägt, mit wenigen Sätzen eine beklemmende Untergangsstimmung, die gegen Ende ins Absurd-Komische kippt. Protagonist Philip erregt mehr Mitleid als Sympathie. Den Zerfall unserer Gesellschaft, unsere Kommunikationsarmut und Abhängigkeit von Smartphone etc. führt uns der unerbittliche Beobachter Bärfuss schmerzlich vor Augen. Immer wieder werden die LeserInnen auf die fiktive Erzählsituation zurückgeführt, die Schreibpausen des außenstehenden Berichterstatters scheinen auch in der Realität stattgefunden zu haben. Hierin liegt auch die Schwäche des ansonsten gelungenen Romans, diese intendierten Brüche wirken allzu konstruiert und vermindern die Wirkkraft dieses literarisch anspruchsvollen, intelligenten und tragischen Buchs, das viele Fragen aufwirft. Ideal für Literaturgesprächskreise!


Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen, Markus Fritz
Der Ich-Erzähler erzählt die Geschichte von Philip, einem Immobilienmakler, der in Zürich auf einen Kunden wartet. Dieser verspätet sich und Philip wird während des Wartens von zwei pflaumenblauen Ballerinas in den Bann gezogen. Er folgt seinem Instinkt und folgt der Frau, deren Gesicht er nicht sieht. Er geht der Frau nach, bis zum Hauptbahnhof, steigt mit ihr in die S-Bahn, verlässt diese, bis zu deren Wohnung in einem Vorort. Dort legt er sich auf die Lauer, verbringt sogar die Nacht vor dem Gebäude in seinem Auto, das er sich von einem Taxifahrer hat bringen lassen.

Am nächsten Morgen verlässt sie das Haus Richtung Bahnhof, er stürmt ihr nach, vergisst dabei aber sein Portemonnaie im Auto. Im Zug nähern sich Kontrolleure. Er kann bei der nächsten Haltestelle aus dem Zug flüchten, verliert dabei aber seinen Schuh. Die junge Frau geht in ein Bürohaus. Er müsste eigentlich am nächsten Morgen nach Gran Canaria fliegen, um dort Wohnungen an Rentner zu verkaufen. Dann ist auch noch sein Handy leer.

Ein rätselhaftes Buch. Mit dem Titel fängt das Rätselraten an. Was bedeutet Hagard? Ist es ein Terminus aus der Jagd oder einfach der Schreibname der Figur? Nicht nur der Titel ist rätselhaft, auch die Beweggründe, warum die Figur die Frau verfolgt, bleiben im Dunklen. Will er aus seinem von Geschäftsterminen geprägten Leben aussteigen? Dennoch liest man den kurzen Roman mit großem Vergnügen. Dies liegt nicht nur am Rätselhaften, sondern vor allem am witzigen und temporeichen Erzählstil.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
12214 DR.E, Bär

Leserbewertungen

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  • 3 Sterne in großartiger Sprache erzählte Geschichte einer obsessiven Verfolgung. Beeindruckend!
    Bewertung abgegeben von Leser 41 am 01.03.2018