Vor dem Fest : Roman

Stanišic, Saša, 2014
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-630-87243-8
Verfasser Stanišic, Saša Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Belletristische Darstellung, Erzählende Literatur, Fest, Dorf, Vorbereitung, Uckermark, Stanisic, Stanisic, Alfred-Döblin-Preis, Hohenemser Literatu
Verlag Luchterhand
Ort München
Jahr 2014
Umfang 316 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Aufl.
Sprache deutsch
Verfasserangabe Saša Stanišic
Fußnote Alfred-Döblin-Preis,Hohenemser Literaturpreis, Leipziger Buchpreis
Annotation Angaben aus der Verlagsmeldung



Vor dem Fest : Roman / von Saa Stanii


Es ist die Nacht vor dem Fest im uckermärkischen Fürstenfelde. Das Dorf schläft. Bis auf den Fährmann - der ist tot. Und Frau Kranz, die nachtblinde Malerin, die ihr Dorf zum ersten Mal bei Nacht festhalten will. Ein Glöckner und sein Lehrling wollen die Glocken läuten, das Problem ist bloß: die Glocken sind weg. Eine Füchsin sucht nach Eiern für ihre Jungen, und Herr Schramm, ein ehemaliger Oberst der NVA, kann sich nicht entscheiden, ob er Zigaretten holen soll oder sich in den Kopf schießen. Alle haben sie eine Mission. Alle wollen sie etwas zu Ende bringen, bevor die Nacht vorüber ist.


Keiner von ihnen will den Einbruch ins Haus der Heimat beobachtet haben. Das Dorfarchiv steht aber offen. Doch nicht das, was gestohlen wurde, sondern das, was entkommen ist, quält die Schlaflosen. Die Nacht gebiert Ungeheuer: Alte Geschichten und Erinnerungen, Mythen und Märchen, sind ausgebrochen und ziehen mit den Menschen um die Häuser. Sie fügen sich zum Roman einer langen Nacht, zu einem Mosaik des Dorflebens, in dem Alteingesessene und Zugezogene, Verstorbene und Lebende, Handwerker, Rentner und arbeitslose Halbgötter in Fußballtrikots aufeinander treffen. Und in dem es Herrn Schramm einfach nicht gelingen will, an Zigaretten zu kommen. Wie wird es aussehen das Dorf, wenn das Fest beginnt?

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Wolfgang Moser
Das Dorfarchiv ist voll mit Geschichten über diesen ostdeutschen Provinzort; am Vortag vor dem Volksfest versammeln sich die Dorfbewohner gleichermaßen sprach- wie lustlos in einer Garagenbar oder beim Angeln. (DR)

Fürstenfelde in der Uckermark: Ein entlegenes Dorf zwischen zwei Seen in der mecklenburgischen Provinz bereitet sich auf das jährliche Annenfest vor. Kurz zuvor ist der Fährmann gestorben. Eine asthmatische Joggerin rettet einen ehemaligen Oberst der Nationalen Volksarmee der DDR vor dem geplanten Selbstmord. Der einzelgängerische Briefträger muss mit dem Verdacht einer Stasi-Vergangenheit leben; heute verkauft der Hühnerstallbauexperte frische Eier. Eine Füchsin sucht für ihre Jungen Eier im Stall. Bier wird statt im Gasthaus in der ausgeräumten Garage von Ulli ausgeschenkt.

In dieser Situation der Stagnation und Sprachlosigkeit wird das Haus der Heimat mit dem Dorfarchiv aufgebrochen. In das virtuose Konglomerat an kurzen, nur lose verbundenen Texten über die immer weniger werdenden Alteingesessenen und die seltenen Zugezogenen im Dorf verzahnen sich Archiveinträge, Erinnerungen, Erzählungen und Mythen aus einer langen, vielleicht sogar ruhmreichen Vergangenheit. Die Textmischung zwischen Komik und Tragik ergibt das Sprachbild einer dörflichen Gemeinschaft, die mehr in und von der Vergangenheit lebt als für die Zukunft.

Der gebürtige Bosnier Saša Stanišic hat einen literarischen Weg gefunden, das Leben im Ostteil Deutschlands ohne Besserwisserei und Nostalgie, aber mit sympathischem Einfühlungsvermögen darzustellen. Für diesen lesenswerten Mosaikroman aus einem vielfältigen Gestern und einem sich darin widerspiegelnden Heute erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse 2014.

Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen, Markus Fritz
Der Roman spielt in einem kleinen Nest in der Uckermark an der Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Viele Menschen sind abgewandert, gar mancher prophezeit, dass das Dorf, das an zwei Seen liegt, bald ganz verwaist sein wird. Erzählt wird die Nacht vor dem großen Annenfest, dem wichtigsten Fest des Jahres, bei welchem ein Scheiterhaufen verbrannt wird. Die Figuren sind die Bewohner des Ortes, Einheimische und Zugezogene. Handlung gibt es kaum. Der Leser verfolgt, was die Bewohner am Vorabend und in der Nacht vor dem Fest tun:

Herr Schramm, pensionierte NVA-Offizier, ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu rauchen oder Selbstmord zu begehen. Er verzweifelt am Zigarettenautomaten, zuerst will er die Münze nicht, dann will er, dass er beweist, dass er über 18 ist, am Schluss erschießt er den Automaten. Uli hat in seiner Garage eine Art Kneipe eingerichtet, mit einem polnischen Erotikkalender an der Wand. Der 16-jährige Johann steht vor der wichtigen Prüfung. Er soll zum ersten Mal die Glocken läuten. Frau Kranz, 90 Jahre alt, Malerin, trinkt mit Vorliebe Rum mit etwas Fencheltee. Sie malt das Dorf und die Bewohner und erzählt vom Krieg, wie sie sich vor den Russen versteckt hat. Der Briefträger Ditsche hat für die Stasi spioniert und verliert nach der Wende den Job. Frau Reiff stammt aus Düsseldorf, hat einen Hof renoviert und bietet nun Töpferkurse an. Dann gibt es noch rumänische Erntehelfer, die in Container wohnen. Neonazis haben darauf "Rumänen raus" gesprüht. Darauf hat ein Rumäne daraus "Rumänen - Haus" gemacht. Fremde werden argwöhnisch betrachtet. Im Dorf gibt es eineinhalb Nazis. Einen echten und dessen Freundin, die nur seinetwegen mitmacht. Der Nazi verschläft zum Glück die Vorbereitungen zum Fest. Auch eine Fähe, ein weiblicher Fuchs, gehört zu den Figuren. Die Fähe möchte für ihre Jungen Eier klauen. Dabei verletzt sie sich.

In die Romanhandlung werden Ausschnitte aus der Dorfchronik eingeflochten. Wir erfahren, dass im Dreißigjährigen Krieg das Dorf von marodierenden Horden heimgesucht wurde.

Jede Figur erzählt in ihrem eigenen Erzählton, manchmal poetisch, manchmal derb, direkt und verstümmelt. Manchmal erzählt das Dorf in der Wir-Form, einer Art Erzählerkollektiv. In einem Interview berichtet der Autor von der Entstehungsgeschichte und seiner Poetik. In einem Dorfarchiv hat er vier Postkarten gefunden. Die Postkarten erzählen Geschichten. Die Leerstellen füllt er mit seiner Phantasie aus. Daher ist historische Genauigkeit nicht zu erwarten. Aber es könnte so gewesen sein.

Stanisic zeichnet ein Bild eines Dorfes und seiner Bewohner mitten in Deutschland, eine für die meisten Leser/innen vollkommen unbekannte Welt. Der Autor belebt das Genre des Dorfromans neu, indem der ausgehend von der heutigen Realität tief in die Schichten der Geschichte vordringt.

Stanisic ist ein sprachgewandter, virtuoser und gewitzter Erzähler, der alle sprachlichen Register - von der barocken Chronik bis zur verstümmelten Sprache der Kneipenbesucher - zu ziehen vermag. Ein Lesegenuss!
Bemerkung Katalogisat abgeglichen mit: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
7509 DR.E, Sta

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