Die Zumutung : Roman

Gruber, Sabine, 2003
Bücherei Zams
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Exemplare gesamt 1
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Medienart Buch
ISBN 978-3-406-50264-4
Verfasser Gruber, Sabine Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Belletristische Darstellung, Österreich, Fiktionale Darstellung, Liebesbeziehung, Frau, Kunstbetrieb, Unheilbarkeit
Verlag Beck
Ort München
Jahr 2003
Umfang 220 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 3. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Sabine Gruber
Annotation Mariannes Körper arbeitet der Vergänglichkeit schneller entgegen, bestimmter als üblich, die Lebenszeit ist radikaler, vorhersehbarer begrenzt. Dennoch und eben deshalb hat sie Liebschaften, geht auf Feste, lernt Beppe kennen, der hartnäckig und unbeholfen um sie wirbt und ihre Liebe gewinnt, weil er so gut zuhört, er, der Übergewichtige, der ihren fremdgewordenen Körper besser kennt als der ferne Freund und eigentliche Gefährte Mariannes, Paul in Rom. Doch alle können nur zusehen, wie folgerichtig Gefühle, Gedanken und schließlich die Existenz zur Disposition stehen. Mariannes Körper stört jede Nähe, jede Lust, jeden Frieden, "es ist, als verlangte mein Körper Antworten, ohne vorher Fragen zu stellen".
Die Zumutung, Sabine Grubers zweiter Roman, verweist auf ein Ensemble von Antworten, die das Universum einer existentiellen Bedrohung ausmachen, in welchem sich die großen und kleinen Dinge neu formieren.
Ein schönes, poetisches und auch humorvolles Buch über die tiefe, gebrochene Liebe zum Leben.

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Maria Schmuckermair
Chronische Krankheit als Metapher für Lebenshunger und Liebesdurst. (DR)

Marianne, die Ich-Erzählerin des Romans, von Beruf Kunstexpertin in Wien, leidet an Glomerulonephritis - das ist eine unheilbare Nierenentzündung, die über Jahre chronisch verläuft und schließlich zu Nierenversagen führt. Die schlimmsten Begleiterscheinungen sind das permanente quälende Durstgefühl und die geschwollenen Beine. Marianne muss aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus ihrem Körper besondere Aufmerksamkeit schenken, und sie tritt gewissermaßen mit dem Tod in einen Dialog, der ihr - aus der Ferne zwar noch - aber doch deutlich sichtbar zuwinkt. Das ändert die Einstellung zum Leben und zu den sie umgebenden Menschen. Sie blickt in die Zukunft, indem sie sich ihr eigenes Begräbnis fantasiert und sich ausmalt, wie alle ihr nahe stehenden Menschen (Freundin, Verwandte, verflossene und aktuelle Liebhaber...) den Sarg begleiten. Sie blendet aber auch zurück in die Jugendzeit und vor allem zu den "Beziehungen", Lieb- und Leidenschaften. - Eine große Stärke dieses vom Thema her ernsten, allerdings auch mit einem fein ziselierten Humor unterlegten Romans, sind die Dialoge, die hauptsächlich aus dem Fundus schöpfen, der vermutlich für nicht mehr ganz junge Künstler- und Intellektuellenzirkel im städtischen Wiener Milieu typisch ist. Mit ziemlicher Sicherheit ein Roman, der Frauen im Alter von 40+ stark beeindrucken wird.

Quelle: Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Erika Wimmer
Ein Verlangen nach Hören, nach Antworten

Sabine Gruber hat mit ihrem neuen und zweiten Roman "Die Zumutung" einen bestechenden Text über das Ich und sein Körpergedächtnis geschrieben. Die Sterblichkeit ist eine Gewissheit, mit der jeder Mensch mehr oder weniger bewusst durchs Leben geht. Doch Marianne, die Protagonistin des Romans, ist dem Tod näher als ihre Freunde, ihr Körper ist schon in jungen Jahren nicht intakt. Eine zunächst nicht geklärte Krankheit, die sich schließlich als Nierenschrumpfung herausstellt und in der Notwendigkeit regelmäßiger Blutwäsche an der Maschine mündet, dominiert Mariannes Lebensgefühl. Sie steht auf einem brüchigen Boden, sie kämpft mit lähmender Angst und einer zuweilen alles erfassenden Schwäche und macht sich doch jeden Tag aufs Neue auf, einen normalen und letztlich auch lebendigen Alltag zu leben. Die wiederkehrende Frage scheint zu sein, wie nahtlos sie sich mit ihrem Körper identifizieren will, ja muss.

Was die Schwäche der Hauptfigur in "Die Zumutung" ausmacht, ist zugleich auch ihre Stärke. Marianne kennt die Perspektive des Todes. Und sie lebt diese Perspektive aus, spielt sie mit all ihren ernsten, aber auch offensichtlich humorvollen Seiten durch. "Als sie mich hinaustrugen" (S. 10) ist das Leitmotiv, das sich durch den ganzen Roman zieht. Es ist dies das bewusste zu-Ende-Denken des eigenen Lebens, das mutige Hereinlassen des Todes, und zwar aus einem klar formulierten Grund: "Er arbeitet weniger schnell, wenn man mit ihm spricht" (S. 7). Und so macht sich Marianne vertraut mit ihm, imaginiert in immer neuen Anläufen ihre eigene Bestattung. Derartige Inszenierungen kennt die Literatur durchaus, doch Sabine Grubers Ansatz hat nichts Morbides, Todessehnsüchtiges an sich. Der Tod gibt Perspektive auf unterschiedliche Lebensarten, er kennt kein Gefühl, aber er ist hellsichtig und registriert genau, was geschieht. "Wie die Wolken drängten sich die Trauernden aneinander" (S. 10), und die tote Marianne sieht durch die Fassade der Menschen, die ihrer Beerdigung beiwohnen, hindurch, sie nimmt wahr und beschreibt, was vorgeht. Sie kennt die abschweifenden, in den eigenen Alltag hinausziehenden Gedanken der anwesenden Menschen genauso gut wie die Ehrlichkeit ihres Verlustgefühls, ihre Verwirrung nicht weniger als die in der Situation aufblitzenden Erkenntnisse.

Die mit der Wendung "als sie mich hinaustrugen" eingeleiteten Beerdigungsszenen deuten auf die Weisheit dessen, der das, was die Lebenden anrührt und gefangen hält, hinter sich gelassen hat. Doch da ist nichts Mystifizierendes, schon gar nicht etwa Esoterisches in diesen Passagen. Vielmehr eröffnet dieser Erzählstrang dichte Wahrnehmungen, leicht und ungekünstelt, präzise und berührend. Wie sich die Erzählerin generell jeder Schönrederei über Krankheit als Schicksal und Chance enthält, so geht sie auch mit dem Tod nicht erhaben und bedeutungsvoll um. Sie führt eine bestechend einfache Perspektive vor, die wiederkehrenden Beerdigungsszenen durchsetzen den Romantext mit einem heiteren Ernst. Es sind vielfach poetische, oft schräge und manchmal geradezu witzige Miniaturen, die Sabine Grubers sonst realistische, am Alltag Mariannes orientierte Erzählung in einer wunderbaren Schwebe halten.

Marianne geht auf ein Fest und lernt Beppe, einen übergewichtigen und unbeholfen wirkenden Mann kennen. Ihr Gefährte Paul ist für längere Zeit in Rom und kommt nur selten in die gemeinsame Wohnung zurück. Beppe wirbt hartnäckig um Marianne und gewinnt ihre Liebe, weil er über die Fähigkeit des wachen, ungeteilten Zuhörens verfügt. Marianne erzählt Beppe - und damit auch den Lesern - ihre Körpergeschichte, die Geschichte ihrer Erkrankung und letztlich auch die Geschichte ihrer Sehnsucht nach Einverstandensein mit dem, was ihr widerfährt. Im Prozess des Erzählens nähert sich Marianne wieder ihrem fremd gewordenen Körper an, gewinnt ihn gewissermaßen zurück. Subtil wird allmählich eine Erotik des Sprechens und Zuhörens offen gelegt, ein zentrales Beziehungsmotiv des Romans. Marianne hat Freunde, die sie lieben, aber sie wehren ihr wichtigstes Anliegen unwillkürlich ab, keiner ihrer Freunde vermag wirklich hinzuhören, zuzuhören. Und so muss Marianne die Liebe der Menschen in Frage stellen. Die Freundin Erna, der ehemalige Liebhaber Leo, der gegenwärtige Geliebte Paul, der Schriftsteller Holztaler und andere sind mit ihrem eigenen, gesunden Leben beschäftigt. Sie planen neue Liebschaften und neue Romane, sie verlieren sich in Nebensächlichkeiten, geben sich scheinbar ungeheuer wichtigen Beschäftigungen hin. Sabine Gruber gelingt es, die unterschiedlichsten Charaktere vorzuführen und zu durchleuchten, ohne sie jedoch zu diffamieren. Mariannes Freunde sind durchschnittlich egozentrisch und damit durchaus auch liebenswürdig, sie denken und handeln wie Menschen das im allgemeinen eben so tun. Beppe aber richtet sich auf Marianne aus und hört stundenlang zu. Es ist ausgerechnet dieser Mann, der selbst nicht an körperlicher Liebe interessiert ist, der Mariannes Erotik und Sexualität weckt.

Sabine Gruber web 2000 t die verschiedenen Erzählstränge ineinander und erzählt so komplex und überzeugend die Geschichte einer Frau, die angesichts zunehmender Bedrohung durch ihre Krankheit hart an der Grenze des Zumutbaren lebt und erst allmählich wieder an Terrain - vielleicht ein gewisses Zutrauen ins Leben und in ihre eigene Kraft - gewinnt. Die Entwicklung vollzieht sich im Kontext des ganz normalen Lebens im künstlerisch-intellektuellen Milieu einer Stadt. Der Blick der Erzählerin auf die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten der Lebenden, der Gesunden und vielfach Unbewussten ist glasklar und kritisch, aber nicht ohne Verstehen. In der deutlichen Distanzierung gegenüber der sie umgebenden Kunstszene, in Abgrenzung auch zu den Freunden und in der gleichzeitigen Öffnung gegenüber Beppe erlangt Sabine Grubers Hauptfigur ein Stück Selbstgewissheit zurück. Mariannes Gratwanderung kommt ernst, aber nicht tragisch daher, sie ist eingebettet in Alltag - Essen, Schlafen, Trinken, Freunde-Treffen, Arbeiten - und trotz allen Ernstes auch leicht und stellenweise ironisch. Vor allem aber ist da viel Humor im Detail. Dieser Humor, der sich mitunter zu witzigen und skurrilen Sequenzen zuspitzt, bereichert Sabine Grubers schon von früheren Texten her bekannte Fähigkeit zu geschliffenen Miniaturen und kleinen, poetisch aufgefädelten Beobachtungen.

"Die Zumutung" ist in Summe ein ausgewogenes und genau kalkuliertes Lebensbild, das zum Nachdenken herausfordert, aber nicht nur. Der Roman unterhält, indem er den Faden der Spannung von Anfang bis Ende niemals verliert. Die Dialoge stimmen, die Brüche und Neuanfänge kommen zur rechten Zeit, die Konstruktion des Romans ist vielschichtig, aber keineswegs schwer. Ein leicht und luftig formulierter Text, der gerade deshalb im rechten Sinne auf die ernsten, existentiellen Dinge des Lebens zugreift.

Quelle: Literatur und Kritik, Christa Gürtler
Unstillbarer Durst nach Leben / Sabine Grubers zweiter Roman "Die Zumutung"

Man muß den Tod in ein Gespräch verwickeln, ihn ablenken. Er arbeitet weniger schnell, wenn man mit ihm spricht. Es müssen nicht Worte sein, er liebt auch Bilder von Schiffen, Delphinen und Seepferdchen. Manchmal genügt ihm die Farbe Schwarz, oder er riecht an weißen Lilien."

Gleich zu Beginn des Romans "Die Zumutung" formuliert Sabine Gruber ihr Schreibprogramm: Erzählen als Lebensnotwendigkeit. Die Ich-Erzählerin Marianne versucht den Dialog mit dem Tod, um Aufschub zu erhalten. Als Kunsthistorikerin weiß sie um die Traditionen der Metaphern und Bilder, mit denen sie den Tod umgarnen kann, aber sie weiß auch, daß die Kunst ihn nur vorübergehend bannen kann.

"Ich bin eine seiner Baustellen. Um ihn zu beruhigen, gebe ich ihm Einblick in sein vollendetes Werk. Ich erzähle ihm von meinem Tod und überlebe ein wenig." Äußerlich ist der beinahe vierzigjährigen Frau nicht anzumerken, daß der Tod bereits in ihrem Inneren arbeitet, daß sich die Krankheit, die eines Tages einfach begonnen hat, langsam und fortschreitend in ihrem Körper ausbreitet. Sie läuft mit einem dicken CK durch die Welt, was zur Folge hat, daß sie ohne Lebensversicherung auskommen muß: "Nicht Calvin Klein, chronisch krank." Sie leidet an einer Schrumpfniere, was im weiteren Krankheitsverlauf bedeutet, Abhängigkeit von Dialysemaschinen und/oder Transplantation.

Marianne nimmt die Herausforderung an, stellt sich dem Tod in einer Gesellschaft, die davon nichts wissen will. Im ersten Kapitel des Romans imaginiert die Erzählerin ihr eigenes Begräbnis, blickt aus dem Sarg auf die Menschen, die ihm folgen und ihr nahestanden. Gleichsam als Exposé werden Freunde und Liebhaber vorgestellt, deren Beziehungen zu Marianne im Roman aufgeblättert werden. Und wie ein Leitmotiv durchziehen die Gedanken an das Begräbnis die weiteren Kapitel des Buches. Die Perspektive der Toten - die Szenen werden durch die Formulierung "als sie mich hinaustrugen" eingeleitet - taucht das Leben in ein anderes Licht, ermöglicht den geschärften, liebevoll ironischen Blick ins Innere der Menschen.

Vom Ende her erscheinen Alltagsprobleme ebenso lächerlich wie die Unsterblichkeitsphantasien der sie umgebenden Künstler und Intellektuellen oder die Jagd von einem Mann zum nächsten ihrer Freundin Erna. Und schmerzlich bewußt werden die Kommunikationsprobleme zwischen Männern und Frauen, in den Erinnerungen an den Exfreund Leo ebenso wie in der Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Paul, der die meiste Zeit in Rom verbringt und sich der historischen Forschung über seine Ahnen und dem Unterschied zwischen italienischem und deutschem Faschismus widmet. Kommuniziert wird kurz und knapp, per SMS, Handy oder E-Mail, jeder ist mehr bei sich als bei den anderen. Und der Schriftstellerfreund Holztaler plündert in seinen Büchern voyeuristisch die Lebensgeschichten seiner Freunde, "weil sein Leben nichts hergibt".

Dem Pathos des Todes verfällt die Erzählerin nie, im Gegenteil, selbst im Alltag gewinnt Marianne der unzumutbaren Krankheit und den Menschen in ihrer Umgebung immer wieder groteske und komische Seiten ab. So begegnet sie Beppe, ihrer letzten Affäre auf der Party einer Galeristin, weil er sich auf deren winzigen Hund setzt, der unter seinem Körpergewicht zu Tode kommt und in Mariannes Handtasche die Party verläßt. Beppe, der sich als Kunstmaler mit dem Ausschmücken von Villen und Schwimmbädern sein Geld verdient, beherrscht die seltene Gabe der "Erotik des Zuhörens" und wird deshalb für Mariannes Erinnerungsarbeit zur wichtigsten Bezugsperson. Zwar gehört auch er zu den "Körper-Analphabeten", aber seine körperlichen Makel machen ihn zu einem Komplizen von Marianne, deren Suche nach einer Körper-Sprache lebensnotwendig ist, denn im Erzählen ihrer Körper-Geschichte gewinnt sie ihren Körper zurück.

Schon seit ihrer Kindheit gehören der Durst und die Liebe zum Wasser zu Mariannes Leben. Auf kunstvolle Weise lotet Sabine Gruber in ihrem Roman die existenzielle Bandbreite der Wassermetaphorik aus. Während der Körper keinen Halt mehr bietet, sich Liebes- und Körperchaos entsprechen, meldet sich Mariannes Durst nach Leben umso deutlicher. Es ist auch eine Sehnsucht nach sexueller Befriedigung und Lust in einer Gegenwart mit ungewisser Zukunft. Der Überschwemmung des eigenen Körpers, in dem sich Wasser staut, setzt die Erzählerin kontrolliertes Essen und Trinken entgegen, orientiert sich an Tabellen und Zahlen, die Auskunft geben über den Zustand und das Funktionieren ihres defekten Körpers. Naturgemäß kann die Kranke die Kritik an Transplantationschirurgie und medizinischem Fortschritt ihrer Freunde nicht teilen, ermöglichen sie doch einzig ihr Überleben.

Sabine Gruber hat auf kunstvolle Weise einen Roman über den Körper als Gedächtnis komponiert. Mit scharfen Schnitten verschränkt sie Zeiten und Räume und zeichnet sprachlich präzise, aber ebenso lakonisch die Spuren eines Krankheitsverlaufs nach. Während die Körpergrenzen zunehmend verschwimmen, möchte Marianne die Unversehrtheit der Haut noch einmal in einem Foto festgehalten wissen, bevor ihr ein Shunt eingesetzt wird, der das Andocken an die lebensverlängernde Maschine ermöglicht. Wessen Leben von einer Maschine abhängt, der weiß: "Andere vertreiben sich die Zeit, ich muß sie gewinnen." Sabine Gruber erzählt eine Krankengeschichte, die gleichermaßen ein Plädoyer für das Leben ist.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
22770 DR.E, Gru

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