Die Gespenster von Demmin : Roman

Keßler, Verena, 2020
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-446-26784-8
Verfasser Keßler, Verena Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Einsamkeit, Heimat, Freundschaft, Erste Liebe, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Vergangenheitsbewältigung, coming-of-age, Zweiter Weltkrieg, Erwachsenwerden, Trauer, Depression, Sprachlosigkeit, Mecklenburg-Vorpommern, Älterwerden, Generationenkonflikt, Milchzähne, Kriegsreporterin, Angela Lehner, deutsche Vergangenheit, deutsches Debüt, Helene Bukowski, Larry, Lebensabschnitt, Massensuizid, Seniorenheim, Stefanie de Velasco, Tigermilch, Vater unser
Verlag Hanser Berlin
Ort Berlin
Jahr 2020
Umfang 237 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Verena Keßler
Annotation Wie sehr bestimmt die Geschichte unsere Gegenwart? Verena Keßlers Debüt über die Haltlosigkeit des Erwachsenwerdens „brummt nur so vor Lebendigkeit. Traurig, witzig, abgründig – Bombe!“ Stefanie de Velasco

Larry lebt in einer Stadt mit besonderer Geschichte – Ende des Zweiten Weltkriegs fand in Demmin der größte Massensuizid der deutschen Geschichte statt. Für Larry ist ihre Heimatstadt aber vor allem eins: langweilig. Sie will so schnell wie möglich raus in die Welt und Kriegsreporterin werden. Während Larry mit den Unzumutbarkeiten des Erwachsenwerdens kämpft, steht einer alten Frau der Umzug ins Seniorenheim bevor. Beim Aussortieren ihres Hausstands erinnert sie sich an das Kriegsende in Demmin und trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Mit Leichtigkeit und Witz erzählt Verena Keßler von Trauer und Einsamkeit, von Freundschaft und der ersten Liebe. Ein Roman über die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen und die Möglichkeit, sie zu überwinden.

Pressestimmen
"In seinem Jugendbuchton spricht der Roman trotz loser Enden ganz leise Themen wie Tod, NS-Verbrechen, Schuld, vergehende Zeit und Generationenkonflikte auf emotionaler Ebene an, setzt sie in Beziehung, ohne zu relativieren oder sich in Befindlichkeiten zu verlieren." Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung, 4.2.2021

"Die Stärke des Buchs besteht darin, dass es literarisch überzeugend zeigt, wie die dunkle Vergangenheit das Leben der Menschen bis heute prägt. ... Verena Keßler gelingt es, die Geschichten der beiden Frauen unaufdringlich miteinander in Beziehung zu setzen – die schwere historische Last mit der Leichtfüßigkeit des Teenagerlebens." Felix Münger, SRF 1, 13.12.20

"Das ist alles mit sicherer Hand, klarem Blick, perfektem Timing, schmucklos, stringent und präzise gemacht. Wie Keßler sich hineindenkt in die Welt einer Fünfzehnjährigen, das zeugt von Empathie und exakter Beobachtung. … Durch Schlichtheit und Genauigkeit gelingt Keßler mit diesem Roman-Erstling ein Buch, das schön ist, weil es nicht groß sein will." Jan Brachmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.20

"Die Gespenster von Demmin erzählen von diesem diffusen Unwohlsein, das entsteht, wenn das Gestern auf dem Heute lastet. Verena Keßler gelingt es auf sehr berührende Weise, dieses Gefühl in Sprache zu gießen ... Die Sprache ist so sparsam, Worte und Bilder sind so treffend und wohl dosiert und die Struktur des Romans ist so gut durchdacht, dass einfach alles stimmt." Änne Seidel, Deutschlandfunk Büchermarkt, 20.10.20

"Verena Kessler erzählt auf zart-zupackende Weise, ohne Sentimentalität, ohne Schuldzuschreibungen ... Wie die Autorin erzählerisch und reflektierend das Heute mit dem Gestern verknüpft, ist faszinierend. In einer klaren, fast lakonischen Sprache, in der jedes Wort sitzt, schafft sie gleichzeitig Distanz und Nähe." Bettina Ruczynski, Sächsische Zeitung, 13.10.20

„Mich hat dieser Roman sehr beeindruckt und berührt. … Verena Keßler schreibt gegen die Verdrängung des Todes an und sie tut das mit einer erheblichen Leichtigkeit. … Für mich war das einer der wenigen literarischen Lichtblicke in diesem eher tristen Herbst.“ Thea Dorn, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20

„Ich finde das ein sehr, sehr gutes Debüt. … Mein Herz schlug sofort für diese Figur, diese Art von völlig unkitschiger Tapferkeit finde ich klasse! … Das Wissen um das Psychologische zittert in diesem Buch mit einer großartigen Dringlichkeit, die mich sehr berührt hat.“ Sibylle Lewitscharoff, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20

„Die Menschen werden als Grenzgänger gezeichnet, immer zwischen Leben und möglichem Tod changierend. … Eigentlich tragisch, aber mit einer großen Liebe zum Überlebenskampf. … Das Menschliche wird hochgehalten und abgefeiert.“ Juli Zeh, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20

„'Die Gespenster von Demmin' sind überall im gleichnamigen Debütroman von Verena Keßler: Sie spuken durch Keller und Familien, erschrecken Zeitzeugen und legen sich wie Grauschleier über die Gegenwart. … Verena Keßlers Roman ist ein Plädoyer dafür, die Geschichte nicht allzu einfach wegzuerinnern.“ Julia Lorenz, taz, 19.09.20

„Der Roman ist eine beeindruckende Coming-of-Age Story und eine klug komponierte Geschichte von Tod, Trauer und auch Lebensmut – ein echter Wurf!“ Natascha Geier, NDR Kulturjournal, 31.08.20

„Der Roman gewinnt Tiefe und Dringlichkeit durch diese makabren Echos aus der Vergangenheit, die immer beklemmender in die Gegenwartsebene des Romans hinein hallen. Ich muss sagen, das ist schon sehr gut gemacht! 'Die Gespenster von Demmin' hätten es mehr als verdient, auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis zu kommen.“ Sigrid Löffler, Radio Bremen, 30.08.20

„Der schwarze Trauerschwan auf dem Cover ist das Totemtier dieses beeindruckenden Debüts, das ein klassischer Coming-of-Age-Roman ist… Es ist nicht ohne Risiko, kollektive, historische Traumata mit persönlichen Erfahrungen kurzzuschließen, die Toten vom Mai ’45 mit dem verstorbenen Bruder und jugendlichen Selbstmordfantasien auch motivisch eng zu verbinden. Verena Keßler gelingt der Spagat mit Leichtigkeit, auch weil sie den Teenager-Sound nicht überzieht.“ Richard Kämmerlings, Welt am Sonntag, 16.08.20

Quelle: 1000 und 1 Buch, Franz Lettner
Wenn Larry, eigentlich Larissa, längere Zeit kopfüber am Apfelbaum hängt, was öfter vorkommt, kann es sein, dass die alte Frau Dohlberg von nebenan am Fenster steht und zusieht. Larry hängt zum Training für den Ernstfall, sollte sie später einmal gefoltert werden – was der Kriegsreporterin, die sie werden will, passieren kann. Frau Dohlberg muss beim Zusehen an die alte Kastner denken, die sich damals auf einem Baum im Vorgarten erhängt hat.

Wenn Larry sich gerade nicht auf ihre zukünftige Tätigkeit vorbereitet – mit Hängen, Kältetraining und so weiter –, pendelt sie zwischen dem kleinen Häuschen, in dem sie mit ihrer Mutter – und bald mit deren neuem Freund – lebt, dem Friedhof, wo sie sich für ein Taschengeld nützlich macht, und dem Netto-Markt. Dort räumt Timo, dem Larrys Freundin ziemlich „gute Schultern“ attestiert, Regale ein. Vielleicht ein eher kleiner Radius für eine 15-Jährige, aber sonst hat sie alles, was eine Protagonistin für ihr Coming of Age braucht: Normal schwierige Familienverhältnisse, ein leicht schräger Spleen, eine beste Freundin, die sauer ist, wenn hinter ihrem Rücken was auch immer mit ihrem aktuellen Schwarm läuft. Was die Hamburger Autorin Verena Keßler der Neuntklässlerin allerdings noch aufbürdet, ist eine Heimatstadt mit trüber Geschichte. Ende April 1945 verließ die Wehrmacht samt SS das in Vorpommern gelegene Demmin fluchtartig Richtung Westen und sprengte wie üblich alle Brücken hinter sich. Als die Rote Armee die kleine Stadt, in der viele Flüchtlinge gestrandet waren, einnahm, nahmen sich dort mehrere hundert Menschen aus Angst vor der Gewalt der Rotarmisten das Leben, erhängten sich oder gingen mit ihren Kindern an den Händen und Steinen in den Taschen in den Fluss. Die Erinnerungen daran kommen bei Frau Dohlberg, aus deren Sicht in dem einen Strang personal erzählt wird, zuletzt vermehrt zurück.

Mit der Ich-Erzählerin des zweiten Erzählstrangs verbindet die alte Frau vordergründig nur die unmittelbare räumliche Nähe, dass sie sich also vom Sehen kennen. Aber das Trauma der Ereignisse am Kriegsende lastet nicht nur auf jenen, die es unmittelbar erlebt haben, es hat sich in der Stadt eingenistet. Das Mädchen e7c weiß darum, aber sie hat ihren eigenen Toten aus jüngerer Zeit zu beklagen. Über das eine wie das andere wird lieber nicht gesprochen. Fast beiläufig lauert beides im Hintergrund.

Verena Keßler deutet die gewaltvolle Geschichte Demmins nur zart an. Und lässt das gegenwärtige Leben ihrer beiden Protagonistinnen unabhängig voneinander laufen. Dem einen schreibt sie eine beunruhigende Stille ein, dem anderen gibt sie den lakonischen Ton einer coolen 15-Jährigen mit. Das eine geht zu Ende, das andere hat eine Zukunft, auf die man sich nicht mit Kältetraining vorbereiten muss. Beide zusammen ergeben ein schönes Debüt, dem man sich – nicht nur in Bezug auf das Lesealter – von vielen Seiten nähern kann.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
20795 DR.E, Keß

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