Die Tour : Roman

Soder, Stefan, 2019
2 Sterne
Bücherei Zams
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Reservierungen 0Reservieren
Medienart Buch
ISBN 978-3-99200-246-7
Verfasser Soder, Stefan Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Freundschaft, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Lehrer, Berg, Freunde, Soder, Tour, Skitour, Berater, Abrechnung
Verlag Braumüller
Ort Wien
Jahr 2019
Umfang 263 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Stefan Soder
Annotation Angaben aus der Verlagsmeldung



Die Tour / von Stefan Soder


Ein Lehrer, der die Schule schwänzt, um sich intimen Obsessionen hinzugeben. Ein erfolgreicher, mit sich hadernder Berater in der internationalen Finanzbranche
im privaten Gewissenskonflikt.
Mithilfe von dessen Ehefrau überredet Bernd seinen alten Freund Franz zu einer gemeinsamen Skitour. In ihrer Jugend unzertrennlich haben die beiden seit vielen Jahren nichts mehr zu zweit unternommen. Während sie den Berg
besteigen, tauchen sie in ihre Vergangenheit ein, die sie verbindet und zugleich unausgesprochen zwischen ihnen steht. Die Perspektive wechselt hin und her wie die Serpentinen, über die sie den Berg hinauf spuren, wie die Schwünge,
die sie bei der Abfahrt in den Schnee setzen. Ein Hin und Her, wie auch die Gedanken der beiden changieren, zwischen Offenheit und Rollenspiel, Verklärung und Groll, Verständnis und Abscheu, Vertrauen und Distanz, endgültigem Bruch und neuer Hoffnung.
Ein Roman über Heimat und Entwurzelung, echte Freundschaft und Entfremdung, dörfliche Enge und Verlorenheit in einer globalisierten Welt.


Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Johannes Preßl
Eine gemeinsame Bergtour, viele offene Rechnungen und ein überfälliges Geständnis. (DR)

Franz und Bernd waren in ihrer Jugend unzertrennliche Freunde, die aber nach der gemeinsamen Schulzeit unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben. Franz wurde Lehrer, gründete eine Familie und engagierte sich bis zur Selbstaufgabe im sozialen Leben seines Heimatdorfes, während Bernd als skrupelloser Finanzberater international Karriere machte und manchmal dem Dorf einen Besuch abstattete, um seinen Reichtum und seinen Erfolg zu demonstrieren. Franz schlitterte in ein Burnout und Bernd stellte bald fest, dass er Teil eines erbarmungslosen Wirtschaftssystems geworden war, das keine Achtung vor menschlichen Werten kennt.

Eines Tages schlägt Bernd eine gemeinsame Skitour auf den höchsten Berg des Ortes vor. Nach längerem Zögern willigt Franz ein. Er ist getrieben von einer inneren Wut auf den ehemaligen Freund, der in allem erfolgreicher und besser zu sein scheint, und der seine Überlegenheit auch am Berg ausspielt. Bernd hingegen peinigt das schlechte Gewissen. Er weiß, dass er Franz etwas gestehen muss, das diesen völlig zerstören könnte. Es hat mit seiner Tochter Sarah zu tun, die für den Familienmenschen Franz das Wertvollste ist, was er hat.

Stefan Soder hat mit diesem Roman ein psychologisches Lehrstück geschrieben, das sich aus einer anfangs harmlosen Dorfgeschichte zu einem Thriller entwickelt. Mit jedem Schritt der beiden Bergpartner steigert sich die Spannung. Ein wahrer Lesegenuss!


Quelle: Literatur und Kritik, Walter Grünzweig
Männerfreundschaft auf Touren

Stefan Soders problematischer Roman »Die Tour«

Dieser Roman über eine doppelte Midlife-Crisis bietet ein Kontrastprogramm. Zwei beste Freunde aus einem nicht benannten österreichischen Touristendorf mit Berganbindung entfremden sich zunehmend. Im Wettbewerb um die ernste Marie ist Franz Moser erfolgreicher als Bernd Wiesinger, der sich alsbald gekränkt aus dem Staub macht, in London eine internationale Karriere als Firmenberater beginnt und darin auch ziemlich erfolgreich ist. Franz dagegen bleibt zu Hause, wird Lehrer und setzt sich im Dorf für die Anliegen derer ein, die sonst nur wenig Gehör erhalten.

Zwanzig Jahre nach dem Ende ihrer engen Freundschaft müssen beide feststellen, dass das Leben ihnen zwar einiges geboten hat, sie jedoch innerlich am Ende sind. Der Roman ist in Kapitelsequenzen geordnet, die einmal auf den einen, dann auf den anderen Protagonisten fokussieren. Die Ehe von Franz existiert zwar noch, die Vertrautheit der Beziehung war aber »recht bald aufgebraucht, eine Ernüchterung trat ein, alles wurde mühsam, aufreibend und kompliziert, jede Entscheidung gewichtig.« Schule und Dorfengagement überfordern ihn; in einigen der faszinierenden Teile des Buches legt er Hand an seinen Körper, sucht autoaggressive Grenzerfahrungen und Freiräume, indem er sich verbrennt oder bis zum Bluten kratzt. Hochdepressiv kompensiert er seine Defizite durch seine damit hoch parentifzierte Tochter Sarah: »In selbstsüchtiger Maßlosigkeit vergoss er seine Liebe über Sarah. Marie tat es ihm gleich, sie überboten einander regelrecht darin.«

Bernd dagegen wird mit zunehmendem beruflichem Erfolg immer einsamer. Aus Angst vor den Verpflichtungen, die Beziehungen mit sich bringen, legt er es bei jeder neuen Frauenbekanntschaft von Anfang an auf eine baldige Trennung an. Auch beruflich erreicht er in seiner Beratungsfirma nicht die oberste Ebene, sondern wird von anderen, rücksichtsloseren Kollegen betrügerisch ausgebootet. Unter dem Glanz der Oberfläche liegen Leere und Verzweiflung.

Diese vielen, teilweise langatmigen Informationen über Leben und Entwicklung der beiden problematischen Freunde werden im Zuge der Vorbereitung auf eine Schiwanderung gegeben, die die beiden auf Bernds Vorschlag hin unternehmen. Von Anfang hängt eine bedrohliche Stimmung über dem Unternehmen; der Tag entwickelt sich jedoch zunächst erfolgreich. Am Gipfel und später bei einer alkoholreichen Rast in einer Hütte kommt es fast zu einer Wiederannäherung der beiden. Bevor der Tag zu Ende gehen kann, wird jedoch klar, dass Bernd eine geheime Agenda hat, nämlich das »unterdrückte Bedürfnis«, Franz etwas zu gestehen, um sich von »Schuld und Scham« zu befreien, die sich als »aufdringliche und penetrante Besucher« erweisen.

Für eine die Problematik des Romans voll auslotende Kritik ist es hier leider notwendig, dieses überraschende Geheimnis zu nennen. Das Geständnis erweist, dass Bernd, der bei Marie zu kurz gekommen war, sich bei Franzens Tochter bediente. Zwar sieht er sich nicht als Pädophiler – »er war kein Humbert Humbert« –, doch dass seine Lust »vermutlich so viel mit Franz zu tun hatte wie mit dessen Tochter«, bietet Letzterer wohl nur wenig Erleichterung. Auf sehr brutale Weise erfährt der Leser, dass er Sarah nicht nur gern »gefickt« hatte, sondern dabei seine altersbedingte Überlegenheit raushängen ließ, die ihn noch besonders anstachelte: »Mit sicheren Händen spielte er auf ihrem fünfzehnjährigen Körper. Die schön gewachsene Tochter seines ältesten und besten Freundes unterwarf sich ihm mit unsicherer Neugierde, genau so, wie er es sich wünschte. … Nie zuvor schien er eine so tiefe Lust verspürt zu haben.« Der Entjungferung nicht genug, kehrt er drei Wochen später zurück, um sein zerstörerisches Werk zu vollenden: Er »vögelte ihr den letzten Rest an Unschuld aus ihrem zarten gelehrigen Fleisch.«

Als Franz mit einer Axt über Bernd steht, befürchtet man das Schlimmste, doch es tritt nicht ein. Stattdessen – und das ist der Punkt, wo der Roman einer gescheiterten Freundschaftsbeziehung zu einer Geschichte über Kindesmisshandlung wird – überwinden sie ihre Krise und einigen sich in der vorletzten Zeile kumpelhaft: »Ihre Hände verhakten sich mit festem Griff.« Franz verzeiht seinem Freund implizit großzügig den Missbrauch ›seiner‹ Tochter – so muss man diese Geste leider deuten.

Dieser Schluss des Buches, so viel ist sicher, kann nicht seine Summa sein. Zwar scheint Sarah relativ ungerührt, aber wir erhalten auch nicht das Privileg einer Einsicht in ihr Bewusstsein (oder darunter liegende Schichten). Objektiv gesehen ist sie das Opfer, auf dessen Rücken und Kosten die erneuerte, aber faule Freundschaftsbeziehung errichtet wird. Das Problem dieses 110f Romans, der an dem Punkt des Kindesmissbrauchs aus dem Ruder zu laufen scheint, ist die Erzählperspektive. Zwar erhalten wir mit den Kapiteln wechselnde Einsichten in das Bewusstsein der alternden männlichen Protagonisten; die vermittelten Inhalte gehen allerdings über ›personale‹ Erzählhaltungen hinaus. Es ist in vielen Fällen unklar, wer jetzt eigentlich spricht, und wer damit erzählerische Verantwortung für das Geschehene und dessen Einschätzung übernehmen kann und muss. So bleibt das eigentliche Problem unbenannt und der Roman offen.

Es ist nur folgerichtig, dass sich die beiden Motti zur »Freundschaft« vor Beginn des Romans als unhaltbar bzw. hohl erweisen. Das zweite – »True friends stab you in the front« – wird zwar im Internet weithin Oskar Wilde zugeschrieben (die Referenz auf den irischen Autor verweist vielleicht auch auf die verdeckte Homo­erotik der beiden Protagonisten), ist aber bei ihm nicht nachweisbar. Das erste, von Epikur von Samos, wird wie folgt zitiert: »Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft – keinen größeren Reichtum, keine größere Freude.« In dieser Form ist das Zitat allerdings volkstümliche Zuschreibung und vielleicht wishful thinking der beiden Männerbündler. Denn die Übersetzung von Epikurs Lehrsatz 27 (hier nach der zweisprachigen Reclam-Ausgabe zitiert) lautet: »Von dem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des gesamten Lebens bereitstellt, ist das weitaus Größte der Erwerb der Freundschaft.« Mit der »Gewährung« von Geschenken durch das Schicksal ist es wohl nicht getan, wie es die Freunde vielleicht erhoffen. Weisheit und Erwerb erfordern wohl überlegteres und verantwortliches Handeln.

Hat man somit die Motti, die häufig in die Zuständigkeit des impliziten Autors fallen, auf die Figurenebene verlagert, so bleibt immerhin noch der Titel. Die Tour des Romans ist nicht abgeschlossen, sie ist offensichtlich – verlegt man sich auf die negativeren Bedeutungen des Wortes – auch nicht sauber, schiefgegangen, und im Endeffekt wurde sie den beteiligten Personen vermasselt (alles Beispiele für die idiomatische Verwendung des Wortes im Duden). Aus einer solchen, kritischen Perspektive ergibt sich dann tatsächlich ein bemerkenswertes Buch, das einen durchaus auf Touren bringt.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
16114 DR.E, Sod

Leserbewertungen

Eine Bewertung zu diesem Titel abgeben