Schwarze Seelen : Roman

Criaco, Gioacchino, 2016
Bücherei Zams
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Reservierungen 0Reservieren
Medienart Buch
ISBN 978-3-85256-684-9
Verfasser Criaco, Gioacchino Wikipedia
Beteiligte Personen Fleischanderl, Karin [Übers.] Wikipedia
Systematik DR.D - Kriminalromane, Thriller, Agentenromane
Schlagworte Italien, Drogen, Verbrechen, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Mafia, Mailand, 'Ndrangheta, Mani pulite, Waffenhandel, Kalabrien, ISIS, Africo, Gioacchino Criaco, Blutfehde, Aspromonte
Verlag Folio Verlag
Ort Wien
Jahr 2016
Umfang 229 Seiten
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Gioacchino Criaco ; aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl
Illustrationsang Illustration
Annotation Armut, archaische Riten, organisiertes Verbrechen - eine Geschichte aus dem gottverlassenen Süden Italiens: Drei Freunde aus dem Bergdorf Africo in Kalabrien wollen sich weder dem Schicksal noch den lokalen Paten ergeben. Die Söhne armer Ziegenhirten, die bereits als Kinder reiche entführte Industrielle aus dem Norden in den dichten Wäldern des Aspromonte-Gebirges bewachten, wollen dem Kreislauf von Tradition und Not entkommen. Beginnend mit kleinen Diebstählen steigen sie in das internationale Drogengeschäft Mailands ein - und werden zum Spielball undurchdringlicher Mächte.

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Michael Wildauer
Verbrecher in Italien haben an vielen Fronten zu morden. (DR)

Acht Jahre nach dem Erscheinen dieses Romans wurde er nun ins Deutsche übersetzt und man fragt sich ein wenig warum. Denn das Buch ist dermaßen italienisch, dass man ihm kaum folgen kann. In Kalabrien, wo die Ziegen heilig sind und die Steine Freunde, da ist das Leben hart und entbehrungsreich. Daher entführt man Leute, dealt mit Drogen und tötet Menschen. So weit, so gut. Doch dann wird es wirklich schwierig, denn die Gegner der gar nicht so Guten sind "Ehrenmänner und Bullen", also die Mafia und Carabinieri, aber auch die moslemischen Drogenbosse und die Wohlstandsbürgerlichen.

Aus der Perspektive eines Kalabresen geschrieben (jedoch nicht bis ganz zum Schluss durchgehalten), macht der Autor die LeserInnen zu Komplizen und schildert eine Welt, in der es wichtig ist, wer vor tausenden Jahren hier einmal geherrscht hat und welche Geschichten seit damals in den Hütten weitererzählt wurden. Das liest sich ziemlich zerfahren und macht Angst. Ob es solche Menschen wirklich noch gibt?

Criacos Bruder gehörte zu den meistgesuchtesten Verbrechern Italiens, sein Vater starb wegen einer Blutfehde. Das alles spricht für eine Insider-Erzählung, aber überall möchte man auch nicht "in" sein. Nur für starken Nerven!

Quelle: Pool Feuilleton
Die echten Krimis spielen nicht in der lauen Wachau unter Marillen sondern in den zusammen gestampften Soziotopen der Wälder Kalabriens und des Dschungels von Mailand.

Gioaccino Criaco greift die Erzählform eines Soziologen auf, der in Ich-Form quasi eine Feldstudie an sich selbst durchführt. Tatsächlich ist der Plot autobiographisch, wonach die Söhne von kalabrischen Ziegenhirten nach Mailand zum Studieren gehen und später in der Heimat das Land politisch aufzumischen versuchen. Die Figuren, Strategien, Motive und Prozesse sind aus der unmittelbaren Zeitgeschichte entnommen, wie sie sich in den Chronik-Teilen lokaler Zeitungen seit Jahrhunderten darbieten.

Durch den Ich-Erzähler und das Wissen des Lesers, dass der Vater des Autors bei einer Blutfehde ums Leben gekommen ist und der Bruder lange Zeit als der meistgesuchte Verbrecher gegolten hat, entsteht hohe Authentizität, man glaubt sofort alles, was man liest.

Bereits der Start liefert enormes Insiderwissen, im internen Befehlsgebrauch werden etwa gekidnappte Personen als Schweine bezeichnet, ledige Kinder gelten als Muli. Die Kinder sind voll in die Mafia-Geschäfte mit eingebunden und bewachen "Schweine", bis diese wieder zurück in die Großstädte geliefert werden. Noch als Gymnasiasten überfallen die drei Protagonisten ein Postamt und liefern damit vor aller Welt ihr Gesellenstück ab.

Wie in einem gutbürgerlichen Entwicklungsroman fasst das Trio immer größere Coups ins Auge. Offiziell gehen alle drei zum Studium nach Mailand, aber die Stipendium-Vorschriften sind so hart, dass man damit nicht überleben kann. Die drei steigen in den Drogenhandel ein und führen den Heroin-Kult zu einer noch nie dagewesenen Blüte.

Aber es ist eben ein Unterschied, ob man in Kalabrien oder in Mailand tätig wird, das gilt für alle Sparten. Der Staat erlässt neue Anti-Mafia-Gesetze und den bisherigen Geschäftsmodellen geht es an den Kragen. Plötzlich stoßen im Gefängnis die seltsamsten Typen aufeinander und müssen erst mit ihren neuen Rollen klar kommen. In der sogenannten Freiheit draußen werden indessen die offenen Rechnungen beglichen.

Gioaccino Criaco erzählt einen Teil der Geschichte Kalabriens aus der Sicht der Welt-Underdogs, die sich schwarze Seelen nennen. Wie ein Ethnologe erklärt er die diversen Bräuche und Rituale, die sich bei der Mafia ähnlich logisch aufgestaut haben wie in der Kirche. Noch dazu sind Rituale nie logisch, sondern immer der Ausdruck eines Kampfes, den man in seiner Vollfassung nicht noch einmal ausfechten möchte.

"Ich hatte immer eine Causa erfunden, für die ich kämpfen musste, mit deren Hilfe ich die anderen an mich band. Im Grunde genommen war ich jedoch ein Gefangener meiner Ängste, ein Hüter des schlechtesten Teils einer Kultur, die bald keinen Sinn mehr ergeben würde." (152)

Der Roman reißt den Leser immer wieder auf die Seite des Verbrechens, so logisch wird diese Kultur erzählt. Dabei sind "Schwarze Seelen" ein Mafia- und Antimafia-Roman in einem. In anderen Gegenden würde man Aufsteiger- oder Bildungsroman dazu sagen. Die Buddenbrooks sind ja auch nichts anderes als ein Mafia-Roman, nur eben mit größeren Nasenlöchern erzählt.

Helmuth Schönauer
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
15940 DR.D, Cri

Leserbewertungen

Es liegen noch keine Bewertungen vor. Seien Sie der Erste, der eine Bewertung abgibt.
Eine Bewertung zu diesem Titel abgeben