Paurs Traum : Roman

Schindl, Andreas, 2018
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-99200-218-4
Verfasser Schindl, Andreas Wikipedia
Systematik DR.H - Historische Romane
Schlagworte Fiktionale Darstellung, Historische Romane und Erzählungen, Traum, Stadt, Freimaurer, Utopie, Syphilis, Paur, Leopold
Verlag Braumüller
Ort Wien
Jahr 2018
Umfang 384 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Andreas Schindl
Annotation Angaben aus der Verlagsmeldung



Paurs Traum / von Andreas Schindl


Leopold Paur, 1735 in Altenburg bei Horn in ärmlichen Verhältnissen geboren, schafft es als Hofadvokat zu Ansehen und einem gut bürgerlichen Leben. Doch er will mehr: Sein Name soll in die Geschichte eingehen. Als ihn ein geheimnisvoller Klient zur Aufnahme in die Freimaurerei vorschlägt, eröffnet sich Leopold eine neue Welt, in der einander Adelige, Bürgerliche und Geistliche auf Augenhöhe begegnen. In seiner Loge macht er die Bekanntschaft eines aus Südamerika vertriebenen Jesuitenpaters, der von den Indios einen Hinweis auf ein untrügliches Heilmittel gegen die Syphilis mitgebracht hat. Leopold erkennt das wirtschaftliche Potenzial dieser Entdeckung und sieht darin die Gelegenheit, als Humanist Weltruhm zu erlangen und seinen größten Wunsch zu finanzieren: die Errichtung einer Stadt im Traum , in der Menschen jeder Herkunft und Religion in Frieden und Eintracht leben können. Aber der ehrgeizige Jurist hat sich verrechnet ...
Die auf historischen Tatsachen beruhende Geschichte ist ein Musterbeispiel für die Utopien der beginnenden Aufklärung.


Quelle: Literatur und Kritik, Klaus Zeyringer
Mit Verve dem Genre verhaftet

Andreas Schindls historischer Roman »Paurs Traum«

Mit Geschichte will man etwas.« Diesen zentralen Satz seines Essays über den historischen Roman schrieb Alfred Döblin in schwieriger Situation zur Umbruchszeit. Sein im Exil entstandener Beitrag erschien 1937 in der Zeitschrift Das Wort, Publikationsort: Moskau. Er bietet eine ausgefeilte Analyse der Gattung, die ab den Zwanzigerjahren ungemein en vogue war, da sich das Lesepublikum in Ungewissheit und Zukunftsangst für geschichtsmächtige Helden begeisterte.Heutzutage kommen – geradezu im Gegensatz zur Prosa junger Autorinnen, die geschichtliche Voraussetzungen beiseite lassen (wie Helmut Gollner dies in dieser Zeitschrift dargelegt hat) – nicht nur Erzählwerke heraus, die zur Nazi-zeit und in ihrem Umfeld spielen, sondern auch einige über wesentlich frühere Epochen. Im gelungenen Fall wie in Daniel Kehlmanns Vermessung der Welt und Tyll gehört eine Problematisierung des Genres zu ihren Grundlagen.Das Schwierige am historischen Roman ist es, dass er leichthin ein »So-war-es« behauptet, somit die Fiktion mit dem Faktischen aufrechnet. Er vermittelt eine Gewissheit bis ins Detail der Gespräche und Gedanken, die er tatsächlich nicht zu erlangen vermag. Indem er Vergangenes ins Heute überführt, tendiert er dazu, vor allem sprachlich und formal zu simpel einseitig den Standpunkt des Vergangenen oder des Gegenwärtigen einzunehmen, folglich die andere Zeitebene zu verraten. Feridun Zaimoglu schafft deswegen in seinem Luther-Roman Evangelio eigens eine altertümelnde Kunstsprache; allerdings erscheint sie in der Bemühung, nicht die damalige Zeit zu uns zu versetzen, sondern uns in die Zeit zu versetzen, simuliert. Daniel Kehlmann löst die Frage eben durch Problematisierung und Sprachform: in der Vermessung alle Dialoge (mit zwei gewichtigen Ausnahmen) in der indirekten Rede, zudem eine hintergründige Reflexion über das Erzählen; in Tyll eine historische Verschiebung der Titelfigur und eine heutige Sprache, jedoch ohne jegliches zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges unbekanntes Konzept. Der Roman Paurs Traum, der Erstling des Wiener Arztes Andreas Schindl, leidet bei all seiner Verve darunter, dass der Autor das Problem nicht beachtet hat. Aus geringer Distanz, meist im Präsens aus dem Inneren seiner Hauptfigur, schildert er, wie der 1735 geborene Hofadvokat Leopold Paur, eine tatsächliche historische Persönlichkeit, seine utopische Musterstadt errichten will. Der Sohn eines Bauern und Dorfrichters, Schüler des Piaristengymnasiums Horn, erblickt sie im Schlaf, in den er auf dem Heimweg im bukolischen Ambiente des Schattens von Hainbuchen gesunken ist. Derart kommen Beginn wie Antrieb des Romans aus dem tiefsten Inneren, das sich im Traumgebilde manifestiert. Nach-dem die Mutter an Syphilis, der »Lustseuche«, gestorben ist, zieht Leopold zum Studium nach Wien, wird geschätzter Jurist, heiratet in die bessere Gesellschaft ein, geht zu den Freimaurern. Bis ihn merkwürdige Begegnungen wieder auf die Bahn seiner Stadt der Gleichheit, Klarheit, Freiheit bringen, die er mit Einnahmen für ein Mittel gegen die Lustseuche zu finanzieren gedenkt, und aus der Bahn werfen.Andreas Schindl hat genau recherchiert und schafft ein farbiges Panorama der Haupt- und Residenzstadt unter Maria Theresia und Joseph II. Bekannte Figuren des Geisteslebens treten auf: der Jesuit Martin Dobrizhoffer, Missionar in Paraguay, der Verleger Rudolph Gräffer, Franz Ignaz Hebenstreit, Ignaz von Born, Angelo Soliman, kurz und unbenannt auch Mozart; dazu Verweise auf Schriften von Pezzl, Blumauer, Rautenstrauch … Plastisch erstehen soziales und politisches Leben, Familienverhältnisse und Freimaurerlogen. Wunderbar die Charakterisierung der Hausmeister: Diese im Souterrain wohnenden Hausherrscher »schleichen auf stummen Sohlen durch Stiegenhäuser und Gänge, scheinen Betrug, Ehebruch und andere Vergehen gegen die staatliche oder himmlische Ordnung durch Tür-ritzen wittern zu können und mittels unsichtbarer Antennen noch den leisesten Lustlaut und noch das schwächste Schmerzschluchzen orten zu können. So ist es kein Wunder, dass sich die kaiserlichen Behörden ihrer gern als Spitzel bedienen. Was die Pfaffen in den Beichtstühlen für Gott sind, sind die Hausmeister in den Stiegenhäusern für die Apostolische Majestät. Die feine Passage illustriert im Detail doch das Problem: Inmitten von Signal-Wörtern jener Zeit steht auf derselben Ebene die nicht ins Damals passende Antenne. Geschehen und Sprache wirken nicht vergangen alt, sondern antiquiert. Das Genrehafte tritt hervor, es kokettiert mit historischer Wahrheit. »Die Geschichte wird zum verfügbaren Material des Autors«, schreibt Alfred Döblin. Durch die Erzählhaltung und auch durch die Kurzbiographien sowie die Chronologieliste am Ende des Bandes erweckt Paurs Traum den Eindruck, dem Faktischen in der Fiktion verpflichtet sein zu wollen. Darunter leidet sowohl die historische Darstellung als auch die literarische Qualität. Das Weltgeschehen gerinnt zur Phrase: »In den vergangenen Jahren war, von den meisten Menschen unbemerkt, die Welt in Brand geraten. Unbemerkt deswegen, weil sich das Pulverfass, in das der erste Funke geschlagen wurde, in der Neuen Welt befand. England und Frankreich waren sich in den amerikanischen Kolonien in die Haare geraten« und es »griffen die Flammen allerdings bald auf den europäischen Kontinent über«. Sodann: »Langsam fallen oft nicht nur militärische Entscheidungen, langsam mahlen auch Gottes Mühlen. Nirgends weiß man das besser als in Wien«. Nirgends? Zudem: Die Kälte ist »klirrend«, das Licht »ergießt sich herbstlich«, die Kaiserin »widmet sich den Regierungsgeschäften«, die Zeit »vergeht wie im Flug«. Solche Phrasen sind oberflächliche Festschreibungen, sie tragen zum Eindruck der lite-rarischen Betulichkeit bei.So finden sich ein paar plakative Szenen neben eindrücklichen Stimmungsbildern (Hetztheater, Wirtshäuser, Märkte …), unnötige Längen (mondäner Praterspaziergang) neben treffenden Charakterisierungen, stehen die Auszüge aus Originaltexten neben Dialogen, die linkisch wirken. Das unwiederbringlich Faktische waren die damaligen Gespräche mit ihren Sprachebenen und Eigenheiten; in der Fiktion sind sie geglättet.

Angenehm lesbar verbindet Andreas Schindl persönliche Geschichte, soziale Verhältnisse und Weltzustände. Die idealistische b33 Vorstellung scheitert an Selbstüberschätzung und Naivität der Hauptfigur – Leopold Paur ist eben kein geschichtsmächtiger Held. Womöglich verweist er gerade derart auf unsere Gegenwart. In entfernter Ähnlichkeit mit der »Broschürenflut« während der Regierung Josephs II. sind heute die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion oft ungünstig verwischt.Wenn man bedenkt, dass Geschichte im historischen Roman, zumindest in Ansätzen, auch auf die Gegenwart zeigt, dann lässt sich Paurs Traum als Spiegelschimmer einer Zeit der Turbulenzen, der Ungewissheit sowie Zukunftsangst und der unter diesen Umständen schwierigen Erkenntnissuche verstehen.Seit jeher habe die Gattung des Romans bestehende Meinungen untergraben, schreibt Daniel Kehlmann in seinem Essay Wo ist Carlos Montúfar?, und »eine der wirksamsten Arten, das zu tun, besteht darin, sich die Vergangen-heit neu zu erzählen«. Bei Andreas Schindl bleibt der Eindruck, er erzähle Vergangenheit nach.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
15172 DR.H, Schi

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