Glückseligkeit : Roman

Livaneli, Zülfü, 2008
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-608-93792-3
Verfasser Livaneli, Zülfü Wikipedia
Beteiligte Personen Riemann, Wolfgang [Übers.] Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Belletristische Darstellung, Fiktionale Darstellung, Junge Frau, Wertwandel, Kulturkonflikt, Istanbul, Ostanatolien
Verlag Klett-Cotta
Ort Stuttgart
Jahr 2008
Umfang 313 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Zülfü Livaneli. Aus dem Türk. von Wolfgang Riemann
Annotation Drei Schicksale, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, führt Livaneli zu einer Geschichte zusammen: einen liberalen Professor aus Istanbul, den eine Midlife-Krise beutelt, einen traumatisierten Kriegsveteran und ein geschändetes Mädchen. Die 15-jährige Meryem steht im Zentrum. Sie weiß nichts von der Welt, nur dass sie als Frau alle Schuld auf sich zu nehmen hat. Bis sie erkennt, dass die Welt nicht hinter ihrem ostanatolischen Dorf endet, und ein unumkehrbarer Prozess der Emanzipation beginnt.

An der Ägäis stoßen sie schließlich aufeinander. Bei jedem von ihnen löst ihre Begegnung eine Entwicklung aus, die sie herausführt aus der Engstirnigkeit, ob sie sich nun mit religiösem Fundamentalismus, militantem Nationalismus oder pseudoliberalem Anything-goes tarnt.

Zülfü Livanelis international erfolgreicher Roman über einen Ehrenmord macht die Widersprüche der heutigen Türkei anhand einer ergreifenden Emanzipationsgeschichte deutlich.


Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Monika Roth
Gesellschaftsroman eines bekannten türkischen Gegenwartsautors um einen geplanten Ehrenmord. (DR)

Zülfü Livaneli, in seiner Heimat berühmter Sänger, Filmemacher und Schriftsteller, verschränkt im vorliegenden Roman das Schicksal dreier sehr unterschiedlicher Charaktere miteinander und zeichnet anhand dieser ein Sittenbild der gegenwärtigen Türkei. Die siebzehnjährige Meryem wird von ihrem Onkel, dem Imam ihrer kleinen ostanatolischen Heimatstadt, vergewaltigt und soll als Strafe für die Schande, die sie durch ihre Schändung über die Familie gebracht hat, ermordet werden (nachdem es nicht gelang, sie in den Selbstmord zu treiben). Für diese Aufgabe wird ihr Cousin Cemal, soeben aus dem Militärdienst gegen die PKK zurückgekehrt und noch reichlich traumatisiert, auserkoren. Um die Aufdeckung des Ehrenmordes durch die hiesige Polizei zu vermeiden, soll die Tat in Istanbul stattfinden. Es kommt aber anders als geplant... In einem weiteren Handlungsstrang lässt Livaneli den Universitätsprofessor Irfan auftreten, der sich mitten in seiner Midlifecrisis befindet und sich aus seinem wohlsituierten Leben verabschiedet. Diese drei Charaktere führt Livaneli bis zum Showdown, in dem sich das Schicksal aller drei Protagonisten abzeichnet, zusammen. Neben der Behandlung drängender türkischer Fragen wie das Aufeinanderprallen fundamentalistischer Strömungen mit einem Liberalismus ohne Tiefe, dem blutigen Krieg im Kurdengebiet, das brutale Vorgehen des türkischen Staates gegen religiöse und ethische Minderheiten und die noch immer existierenden Ehrenmorde wird in der Figur der Meryem auch die langsame Emanzipation einer jungen Frau zu einem selbstbestimmten Leben erzählt. Ein Roman, der europäischen LeserInnen zu einem tieferen Verständnis der Spannungsfelder, denen die heutige Türkei ausgesetzt ist, verhelfen wird, und zudem durch seine dichterische Sprache besticht, der allerdings nicht zuletzt durch die ernste Thematik nicht ganz leicht zu lesen ist.


Quelle: Bücherschau (Büchereiservice des ÖGB), Erna Stadler
Zülfü Livaneli, Jahrgang 1946, lebt heute in Istanbul. In den 70er Jahren floh er ins Ausland, nachdem er in der Türkei inhaftiert gewesen war, weil er sich für die türkisch-griechische Aussöhnung eingesetzt hatte. 1984 kehrte er in die Türkei zurück und machte sich dort als Sänger einen Namen. Inzwischen gilt er als der "türkische Theodorakis". Er ist aber nicht nur Sänger, er schreibt Lieder, komponiert Filmmusiken, ist Filmregisseur, UNESCO-Botschafter, war Mitglied des türkischen Parlaments ... Daneben schreibt Zülfü Livaneli aber auch Bücher, "Glückseligkeit" erschien in der Türkei schon vor sechs Jahren.

Die Handlung des Romans verläuft vorerst in drei Schienen, die in dessen weiterem Verlauf ineinander fließen. Da gibt es Meryem. Sie wächst in Ostanatolien auf, in einer Gegend, die - aus westlicher Sicht - rückschrittlicher nicht sein könnte. Eines Tages wird sie vergewaltigt, und zwar ausgerechnet vom Imam, wie sich später herausstellt. Der Tradition gemäß wird IHR die Schuld an dem Vorfall gegeben, SIE hat die Familienehre beschmutzt und SIE soll dafür büßen, was heißt: sterben. Doch siehe da: Meryem hängt an ihrem Leben, sie macht Schwierigkeiten, lässt den Strick, an dem sie sich erhängen sollte, an der Wand hängen. Die Dorfgemeinschaft will nicht Hand an sie legen, das ginge denn offenbar doch zu weit, aber Meryem muss weg, soviel steht fest. Somit wird Cemal, ihr Cousin, der gerade aus dem Krieg gegen die kurdische PKK zurückgekehrt ist, beauftragt, Meryem nach Istanbul zu bringen, um sie zu ermorden. Die dritte wichtige Person in dem Roman ist ein liberaler Istanbuler Professor, der an seiner Midlife-Krise laboriert, der alles satt hat, der seine Umgebung nicht mehr ertragen kann, obwohl er sich sein Leben höchst komfortabel eingerichtet hat. Im Aufeinandertreffen der drei Protagonisten geraten Weltbilder ins Wanken, oder kommen gar zum Einsturz.

"Glückseligkeit" ist ein wunderbares Buch, dem westlichen Leser werden die Widersprüche der heutigen Türkei plastisch vor Augen geführt, daneben schillert die Farbenpracht des Orients durch, wenn der Autor fabulierfreudig Geschichten und Bilder einstreut. Stellenweise bricht auch der Musiker Livaneli durch, wenn es beispielsweise heißt: "Wichtiger als die Flagge eines Landes ist das gemeinsame Gefühl für Rhythmus. Darum geht es, nicht um die Melodie. Dieser trennt die Kulturen."


Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen, Brigitte Ambach
In "Glückseligkeit" geht es um die 17 jährige Meryem, die von ihrem eigenen Onkel, dem Imam, vergewaltigt wurde und um ihren Cousin Cemal, einen jungen Soldaten, der den Auftrag erhält, den Ehrenmord an ihr zu begehen. Meryem lebt in einer sehr kleinen Stadt in Ostanatolien und weiß nichts von der Welt, nur dass sie als Frau minderwertig, schmutzig und schuldig ist. Als sie sich auf Geheiß des Familierates in Begleitung ihres Cousins nach Istanbul aufmacht, ahnt sie nicht, dass Cemal plant, sie von einer Brücke in den Tod zu stoßen und dass es fern ihres Heimatdorfes eine türkische Welt gibt, die sich an westlichen Prinzipien orientiert und in der auch Frauen Rechte haben.

Das bestürzende Schicksal von Meryem bildet unverkennbar den Kern der Geschichte, doch geht es auch um die Figur eines liberal gesinnten Professors aus Istanbul, der in der Midlife-Crisis steckt und seinem Leben einen neuen Sinn geben will. Er steht ebenso wie Meryem und Cemal am Beginn einer langen Reise in eine ungewisse Zukunft. Sie alle sind Auf- und Ausbrechende.

Im zweiten Teil des Buches führt Livaneli die drei unterschiedlichen Charaktere in der Ägäis zusammen - auf dem neutralen Territorium des Meeres - und lässt sie zart aneinander wachsen. Ab dem Zeitpunkt des Zusammentreffens der Figuren verlangsamt sich der Erzählfluss deutlich und die Geschichte verliert etwas an Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit. In "Glückseligkeit" faszinieren vor allem die offene Darstellung der türkischen Gesellschaft im Spannungsfeld von religiösem Fanatismus und westlichen Werten und die Beschreibung des aufkeimenden Emanzipationsprozesses von Meryem, der es glücklicherweise gelingt sich aus den Fesseln ihrer Familie zu lösen. Als Leserin wünscht man der Protagonistin, dass sie die Möglichkeit erhält, sich eine menschenwürdige Existenz aufzubauen.


Quelle: Pool Feuilleton
Das Geheimnis jedes Staates besteht darin, die unterschiedlichsten Charaktere untereinander in Schach zu halten und mit ihnen gemeinsam einen Weg zur Glückseligkeit zu ve 11ad rsuchen.

In Zülfü Livanelis Roman Glückseligkeit reißen drei Figuren in Extrempositionen an diesem politischen Gebilde, das aus diversen Lebens-, Bildungs- und Religionsformen zusammengeklebt scheint und äußerst fragil ist.

Die drei Hauptfiguren werden seltsamerweise unter einem sexuellen Aspekt vorgestellt. Die 15-jährige Meryem ist seit ihrer Vergewaltigung durch den Onkel in einem Keller eigesperrt, man erwartet von ihr, dass sie sich aufhängt, aber sie träumt vom Vogel der Freiheit und hält einen Schlummer tief wie der Van-See.

Professor Kurudal, ist vierundvierzig, schaut manchmal mit seiner Frau Pornos und gibt sich einem liberalen Geschlechtsleben hin, beruflich will er die sexuellen Codes der Türkei entschlüsseln.

Der Soldat Cemal kämpft an der Grenze gegen Einheiten der PKK und weiß vom Gegner nur, dass den Männern drei Dinge heilig sind: Waffen, Maultiere und Hoden. (67) Manchmal onaniert der Soldat an der Grenze ins Feindesland hinüber, das ist sein sexueller Beitrag.

Aus diesem Gefängnis aus Langeweile, Schmach und intellektueller Sattheit versuchen die Figuren auszubrechen und die sprichwörtliche "Glückseligkeit" zu erreichen. Der Professor gibt alles auf und fährt mit dem Segelboot über das Meer, dort hisst er alle möglichen Fahnen neben der türkischen, wie der Soldat Cemal argwöhnisch bemerkt. Cemal seinerseits versucht die Schande an seiner Verwandten Meryem zu sühnen, er will das Mädchen beseitigen, das ihm zur Tötung übergeben worden ist. (224) Und Meryem flüchtet aus dem Keller und dem Familienverband, der ihr so übel mitgespielt hat, ihre Rettung heißt Istanbul. Istanbul nämlich hat keine Grenzen und geht fließend in das ganze Land über. (193)

Zülfü Livaneli zeigt mit seinem Roman erst einmal die rasenden Hauptprobleme des Landes auf, das noch immer zwischen Militär und Zivilisation, moderner Gesellschaft und archaischer Struktur, Aufklärung und fanatischer Religion gefangen ist. Damit sich die Lage verbessern kann, muss sich auch der Roman zum Guten wenden, glaubt der Autor und führt seine Figuren einem gemeinsamen Glück zu, indem sich jede und jeder ein Stück aus seiner bisherigen Schablone herausschält und der Glückseligkeit zuwendet. Zumindest in der politischen Theorie und in der Literatur funktioniert dieses Märchen-Programm. Die Realität freilich ist in diesem Fall der Literatur immer ein Stück voraus und hält sich eher an die Chaos-Theorie.

Helmuth Schönauer
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
14687 DR.E, Liv

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