Ich war Diener im Hause Hobbs : Roman

Rossbacher, Verena , 2018
Bücherei Zams
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Reservierungen 0Reservieren
Medienart Buch
ISBN 978-3-462-04826-1
Verfasser Roßbacher, Verena Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Freundschaft, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Zürich, Österreichische Literatur, Butler, Familien-Geheimnis, Diener, Skandal, Verlangen nach Drachen, John Wray, Feldkirch
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Ort Köln
Jahr 2018
Umfang 380 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Verena Rossbacher
Annotation »Es war ein schlampiger Tag. Dies ist eine einfache Geschichte.«
Ein Skandal und ein überraschender Todesfall in den besten Kreisen der Zürcher Gesellschaft. Ein junger Diener, der Jahre später zurückblickt und die Bruchstücke der Geschichte neu zusammensetzt. Der dritte Roman von Verena Roßbacher ist ein literarisches Ereignis – voller psychologischer Brillanz, umwerfender Poesie und doppelbödigem Humor.
Es war Christian, der Diener der Zürcher Anwaltsfamilie Hobbs, der den Toten im Gartenpavillon neben der blutbespritzten Chaiselongue fand. Jahre später blickt er zurück und versucht zu verstehen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Erinnerungen an seine Jugend im österreichischen Feldkirch drängen sich scheinbar zufällig in die Rekonstruktion: Vier genialisch provinzielle Jungs rezitieren am sommerlichen See in sagenhaften Anzügen Zweig und Hesse, haben ihre ganz eigene Theorie zu Frauen mit Locken und das gute Gefühl, dies alles wäre erst der Anfang. Christian erzählt vom Auseinanderdriften der Freunde, von seinen ersten Jahren im Hobbs’schen Haushalt, von verwirrenden nächtlichen Zimmer-besuchen, liebevoll inszenierten Familienporträts und dem fatalen Moment, als die einnehmende Hausherrin seinen alten Freunden begegnet. Und während er die Untiefen der eigenen Schuld auslotet, kommt er einem großen Geheimnis auf die Spur.
Ein betörend leichtfüßiger und vertrackt unheimlicher Roman, in dem nichts ist, wie es zunächst scheint.


Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Martina Mansoor
Ein Diener und seine Liebe zum Detail. (DR)

Der junge Vorarlberger Christian arbeitet als Diener bei der wohlsituierten und angesehenen Familie Hobbs in Zürich. Die Familie besteht aus dem Anwalt Jean-Pierre Hobbs, seiner attraktiven Ehefrau, ihren Kindern und Gerome Hobbs, Jean-Pierres Zwillingsbruder - das genaue Gegenteil seines erfolgreichen Bruders.

Christian - oder Robert, wie er von seinen Dienstgebern genannt wird - gefällt sich in seiner Rolle als Butler. Diskret beobachtet er alle Vorgänge im Haus. Dabei kommt er mit der Zeit hinter verstörende Geheimnisse. Berufliches und Privates vermischt sich auf unwillkommene Weise und zwei Todesfälle geben der ganzen Erzählung eine tragische Wende.

Verena Roßbachers neuer Roman ist so originell wie das echte Leben. Ihr Erzählstil ist äußerst fesselnd. Christian erzählt beschwingt und scheinbar zusammenhanglos aus seiner Jugend im provinziellen Feldkirch und seiner Arbeit. Daneben stellt er humorvoll Überlegungen über das Leben eines Dieners und reiche Haushalte an. Am Ende ensteht aus dieser Aneinanderreihung von Nichtigkeiten jedoch ein komplexes Gebilde.

Genial spannender und amüsanter, jedoch auch verstörender Roman über die Verstrickungen im Leben eines Dieners. Sehr unterhaltsam!


Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen, Margot Schwienbacher
Anspruchsvolle Unterhaltung vom Feinsten liefert die Vorarlberger Autorin in ihrem neuen Roman. Christian ist der Ich-Erzähler, der als Butler Robert lange Zeit im Hause der reichen Zürcher Anwaltsfamilie Hobbs tätig war. Seine erste Anstellung erfüllte ihn mit Stolz, das formvollendete Dienen schien für ihn Lebenstraum und Sinnstiftung gleichermaßen. Nun, als älterer Mann, erinnert er sich zurück an jenes dramatische Unglück - oder besser: jene blutüberströmte Leiche - die damals den Auftakt zum Untergang der Familie Hobbs darstellte. Parallel dazu beschwört er seine Jugend in der Vorarlberger Provinz herauf, seine Freundschaft mit drei etwas schrulligen, wie aus der Zeit gefallenen jungen Männern. Beide Welten - Zürcher Luxus vs. Vorarlberger Provinz - hatte er damals strikt voneinander getrennt; als ihm das nicht mehr gelungen war, hatte sein Diener-Dasein ungeahnte Wendungen genommen.

Ein skurriler, unterhaltsamer Roman voller überbordender Details, der Tragisches und Komisches virtuos verbindet und eine ziemliche Sogwirkung entfaltet. Für geübte Leser/innen.

Homo faber für Fortgeschrittene

Verena Rossbachers dritter Roman nach "Verlangen nach Drachen" und "Schätzen und Schlachten" ist mit großem Kalkül gestaltet. Die Autorin riskiert das Spiel mit einer passiven Hauptfigur, die eigenschaftslos bleibt (der Satz "ich bin eine Schlaftablette, die nicht richtig wirkte" wird gleich mehrfach wiederholt). Verena Rossbacher braucht in diesem Roman allerdings einen wenig agilen Protagonisten, weil sie einen üppigen Stoff zu erzählen hat. Sie verknüpft die Entdeckung der Homosexualität mit einer Kunstmarktsatire, schafft ein Porträt des Zürcher Großbürgertums und entfaltet einen fast biblisch anmutenden Reigen erst erfolgloser, denn erschreckend erfolgreicher Vateridentifikation. Die Autorin kennt das Elend des Landlebens und gestaltet dieses überzeugend aus. Feldkirch und einige Orte mehr in Vorarlberg – die Herkunft des Dieners – sind damit in der Literatur angekommen; Boten einer solchen Aufnahme in die Literatur gab es bereits einige, James Joyce, Stefan Zweig oder auch den weniger bekannten Nikolaus Martin. Als Grenze zur freien Welt war Feldkirch in mehreren Kriegen – nicht zuletzt dem Zweiten Weltkrieg – der Weg in die Befreiung, manchmal leider auch nicht.

Der Erzähler Christian Kauffmann – eben jener Diener im Hause von Jean-Pierre und Bernadette Hobbs und deren Kindern Raphael und Aurelia – vermittelt das Geschehen retrospektiv. Als fester Bestand einer dandyhaften Viererbande, die sich erfolglos den Untiefen der Pubertät zu entziehen versucht, kämpft er sich durch eine weder aufregende noch niederdrückende Jugend. Mit Olli, Gösch und Isi werden Hesse und Zweig zitiert, als wären deren Texte der Olymp der Philosophie und als wären diese vier juvenilen Denker somit die Hüter der Kultur. Zu der Erkenntnis, dass dies eben eine jugendliche Marotte war und die Manieriertheit vor allem dazu diente, die eigene Unsicherheit zu bemänteln, kommt Christian oder "Krischi" – wie er im unvermeidbaren Vorarlberger Dialekt genannt wird – relativ früh. Für die einschneidenden anderen Erkenntnisse, die das Leben der Clique bestimmen, bedrohen und schließlich für einen von ihnen beenden, braucht er etwa 380 Seiten. Die vier Freunde sind zudem Repräsentanten unterschiedlicher Lebensentwürfe, wie sie für die 90er Jahre bis zu unserer Gegenwart exemplarisch sein könnten: Einer vegetiert in Berlin dahin, einer macht sich auf die spirituelle Suche, einer übernimmt eine Drogenberatungsstelle und einer wird eben zum blinden Knecht des Großkapitals. Üppigkeit ist eine Ingredienz dieses Erzählens, sie verdeckt gekonnt die Farblosigkeit des Erzählers. Der Schluss, dass dieser Diener – der sich erst langsam von seiner Unterwürfigkeit lossagen muss – nie wirklich aus der Provinz herausgekommen ist, ist zulässig. Sein Kosename Krischi führt bei etwas phonetischem Wagemut zum Kriecherischen und er erzählt passagenweise auch so. Schließlich spricht er Leserin und Leser per Sie an, das allein hat etwas Devotes. Weniger Geschwätzigkeit hätte seine Naivität zudem besser kaschiert. Allerdings, man kann durchaus Indizien für einen Entwicklungsroman feststellen oder wie es heutzutage eher heißt "Coming-of-Age-Roman".

Jean-Pierre Hobbs, Familienoberhaupt und Bewahrer des Großbürgertums, stolpert im letzten Drittel des Romans über den Schwarzhandel mit Kunstwerken und wählt – als Anwalt ruiniert – den Freitod. Zumindest ist dies die erste Lesart, die der Erzähler Christian offeriert. Wie verschachtelt die Motive für den Selbstmord sind, soll nicht verraten werden, nur dass f21 diese eng mit Fragen der Vaterschaft verknüpft sind. Dieser Plot – eine Vatersuche gleich über mehrere Generationen – ist das Prunkstück des Romans.
Stilistisch hätte man sich mehr Passagen wie diese gewünscht:
"Es war ein schlampiger Tag, einer dieser späten Nachmittage im November, die in Städten so unsortiert sind und wie fahrlässig aufgeräumt. Die Bäume wirken ausgeraubt, als hätte man sich an ihnen vergangen, Blätter hasten ziellos durch die öden Straßen, und es liegt ein Art ständiges Dräuen über der Stadt wie eine böswillig gemischte Farbe."
So entsteht Beklemmung, die mehr über die Handelnden verrät als Bekenntnisse.
Erzählerische Details mit Raffinesse bietet das Buch einige. So ist darin der Autor John Wray zu finden, der dezidiert als solcher zu identifizieren sein soll, wobei man hier wohl eine Sachanleitung wie "jede Ähnlichkeit mit dem Autor ist unvermeidbar, führt jedoch zweifelsfrei zu falschen Schlüssen" ergänzen müsste. Das fact-in-fiction-Konzept betrifft auch den malenden Zwillingsbruder von Jean-Pierre Hobbs, Gerome, inspiriert durch den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, sowie den Oberbutler Robert Wenneke, Schulleiter einer Butlerschule in den Niederlanden, in welcher Christian Kauffmann das Dienen von der Pike auf gelernt hat (folgerichtig ist Christian auch ein Spießbürger), und manches mehr.
Die Autorin platziert dramaturgisch versiert – immer danach trachtend jene Kieselsteine auszustreuen, die den Lesenden sicher an das Ende des Romans führen – Vorausdeutungen und Ankündigungen. Man weiß von einer Katastrophe, aber nicht von ihrer Beschaffenheit. Suspense heißt das in mit Anglizismen durchsetztem Neudeutsch.

Alexander Peer
11. September 2018
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
14436 DR.E, Ros

Leserbewertungen

Es liegen noch keine Bewertungen vor. Seien Sie der Erste, der eine Bewertung abgibt.
Eine Bewertung zu diesem Titel abgeben