Die Nickel Boys : Roman

Whitehead, Colson, 2019
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-446-26276-8
Verfasser Whitehead, Colson Wikipedia
Beteiligte Personen Ahrens, Henning [Übers.] Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Mord, Gewalt, Missbrauch, Amerika, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, USA, Trauma, Florida, Jahrhundert, Jahrhundert, Rassismus, Ungerechtigkeit, Idealismus, Diskrimin 8c8 ierung, Underground Railroad, wahre Begebenheit, Kapitalismus, amerikanische Geschichte, 60er Jahre, Besserungsanstalt, Dozier School, Jim Crow, Jungenfreundschaft, Martin Luther King, National Book Award, Pulitzer-Preis, Rassentrennung, reales Verbrechen, Sechzigerjahre, unaufgeklärte Verbrechen, Whiting Writers Award, Pulitzer Preis 2020
Verlag Hanser, Carl
Ort München
Jahr 2019
Umfang 224 Seiten
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Fußnote Pulitzer Preis 2020
Annotation Florida, Anfang der sechziger Jahre. Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als er einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort werden die Jungen missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt. Erneut bringt Whitehead den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage. Sein neuer Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, ist ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit.

Nach "Underground Railroad" ein weiteres schmerzhaftes Kapitel amerikanischer Geschichte (New York Times)


Rezensionen
MDR Kultur
Rezension"Die Nickel Boys" – Erschütterndes Buch über eine Besserungsanstalt für Jungen
Stand: 25. Juni 2019, 09:49 Uhr

Der New Yorker Colson Whitehead gilt spätestens seit seinem Roman "Underground Railroad" als einer der großen Autoren der amerikanischen Literatur. Für das Buch, das die Odyssee einer Sklavin nachzeichnet, wurde Whitehead mit dem National Book Award und dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sein neuer Roman "Die Nickel Boys", der gerade und zuerst auf Deutsch erschienen ist, beschäftigt sich abermals mit einem dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte. MDR KULTUR-Literaturkritiker Holger Heimann hat das Buch gelesen.

Dozier School for Boys
Die Besserungsanstalt "Dozier School for Boys" gab es wirklich

Manche Sachen sehen besser aus, als sie sind. Das Nickel, eine Besserungsanstalt für Jungen in Florida, von der Colson Whitehead, inspiriert durch tatsächliche Begebenheiten, in seinem neuen Roman erzählt, wirkt auf den ersten Blick anziehend. Das Gelände wird nicht etwa durch hohe Steinmauern mit Stacheldraht begrenzt. Ganz im Gegenteil: Es gibt gar keine Mauern. Auf üppig grünem Rasen stehen verstreut Gebäude aus roten Ziegeln.

Als der junge Elwood Curtis Anfang der 60er-Jahre das Anstaltsgelände zu Gesicht bekommt, weiß er noch nicht, dass das menschenfreundliche Äußere nur Fassade ist. Für die erste Irritation sorgt die Begrüßungsrede eines Aufsehers: "Wenn man hier landet, dann deshalb, weil man nicht weiß, wie man sich anderen Menschen gegenüber anständig benimmt. Aber das ist halb so wild. Dies ist eine Schule, und wir sind Lehrer. Wir bringen euch bei, euch so zu verhalten wie alle anderen. [...] Ihr seid erst einmal Würmer."

Schuldig, weil er schwarz ist
Der 16 Jahre alte Elwood ist im Nickel gelandet, weil er als Tramper das Pech hat, in ein gestohlenes Auto einzusteigen, das kurz darauf von der Polizei gestoppt wird. Zeit für Erklärungen gibt es nicht. Der aufgeweckte, begabte Junge, der aufs College gehen wollte, wird im Schnellverfahren abgeurteilt. Er ist schuldig, weil er schwarz ist, so einfach ist das in einem vom Rassismus bestimmten Land. Aber Elwood resigniert nicht. Er nimmt sich vor, sich ebenso zu verhalten, wie zuvor in seinem Leben, fleißig, zuvorkommend und höflich zu sein.

Doch im Nickel nützt ihm das nichs. Im Gegenteil: Es ist sein Sinn für Gerechtigkeit und sein Glaube an die Veränderbarkeit der Zustände, die ihm in die Quere kommen. Weil er einen Streit zu schlichten versucht, macht er Bekanntschaft mit dem gefürchteten Folterhaus, in dem ein großer Ventilator die Schreie der brutal ausgepeitschten Jungen übertönt. Als er schließlich in der Dunkelzelle landet und sein weiteres Schicksal ungewiss ist, überdenkt er zum ersten Mal seine von den Reden Martin Luther Kings inspirierten Lebensmaximen:

Die Welt hatte ihm zeitlebens ihre Regeln zugeflüstert, nur hatte er die Ohren davor verschlossen und stattdessen die Kunde einer besseren Welt vernommen. Die reale Welt erteilte ihm aber weiterhin Lektionen: Du sollst nicht lieben, denn man wird dich im Stich lassen; du sollst nicht vertrauen, denn man wird dich verraten; du sollst nicht aufbegehren, denn man wird dich Mores lehren.

Schreckensanstalt nach existierendem Vorbild

Die Schule, von der Colson Whitehead erzählt, hat es tatsächlich gegeben. In einem Nachwort klärt der Autor darüber auf: 2014 wurden von Archäologiestudenten bei Ausgrabungen auf dem Gelände der ehemaligen Dozier School for Boys nicht nur geheime Gräber, sondern überdies Skelette mit gebrochenen Handgelenken und von Schrotkugeln durchlöcherten Brustkörben gefunden. Mit großer Könnerschaft formt Whitehead aus dem erschütternden Stoff einen schmerzlichen Roman. Er muss dabei Nichts dramatisieren, sondern erzählt bewusst zurückhaltend. Es genügt, die Tatsachen sprechen zu lassen, um den Lesern die brutale Logik eines Willkürsystems vor Augen zu führen.

Überraschende Wendungen hält der Roman trotzdem bereit und einen Ausblick bis in die Gegenwart: Elwood hat sich in New York ein kleines Umzugsunternehmen aufgebaut. Er ist nicht wie andere zerbrochen an der Vergangenheit, aber er wird sie auch nicht los. Der höllischen Verwahranstalt, von der Whitehead erzählt, kann keiner ihrer Insassen je ganz entkommen.


Deutschlandfunk Kultur:
Beitrag vom 01.06.2019
Colson Whitehead: „Die Nickel Boys“
Horrorkabinett des Rassismus
Von Carsten Hueck
Colson Whitehead ist erst der vierte Schriftsteller, der den Pulitzer-Preis zum zweiten Mal erhält - für seinen 2019 erschienenen Roman „Die Nickel Boys“.

Der Roman „Die Nickel Boys“ des Pulitzer-Preisträgers Colson Whitehead blickt in eine Besserungsanstalt im Florida der frühen 1960er-Jahre. Der junge Schwarze Elwood gerät in eine staatliche Hölle aus Rassismus, Gewalt und Willkür.

Vor zwei Jahren gewann Colson Whitehead mit seinem Roman „Underground Railroad“ sowohl den Pulitzer Preis wie auch den National Book Award. Die deutsche Kritik war geteilter Meinung über das Buch, in dem die abenteuerliche Flucht einer schwarzen Sklavin – mithilfe auch einer märchenhaften Eisenbahn – erzählt wird.

In „Die Nickel Boys“, seinem neuen, erst im Juli in den USA erschienenen Roman, gibt es nichts Märchenhaftes. Whitehead schildert jüngste amerikanische Vergangenheit, deren Ausläufer in der Gegenwart noch spürbar sind: Als in Florida auf dem Gelände einer ehemaligen Besserungsanstalt ein Büroviertel entstehen soll, stoßen Archäologiestudenten bei Grabungen auf den geheimen Friedhof jener „Industrieschule für Jungen“, die nach einem ihrer Leiter nur „Nickel Academy“ genannt wurde.

Rekonstruktion der schrecklichen Zustände
„Jahrzehnte nachdem man den ersten Jungen in einen Kartoffelsack verschnürt und in eine Grube versenkt hatte“, wird so die Wahrheit über die Zustände in der Anstalt rekonstruierbar. Colson Whitehead erzählt von ihnen als auktorialer Erzähler. Knapp und kräftig ist seine Sprache, die Dialoge sind trocken und vielsagend, die Bilder verhalten poetisch und derb treffend. Aus all dem entsteht ein Rhythmus, der das ganze Buch zu einem zurückgenommenen, dann wieder expressiven Blues macht.

Anfang der 1960er-Jahre freunden sich zwei schwarze Jungen im „Nickel“ an. Es gelten in den USA noch die diskriminierenden Rassengesetze, während die Civil Rights Movement tapfer gegen die allgemeine Meinung kämpft, dass Weiße die besseren Menschen seien.

Elwood, der bei seiner Großmutter lebt, ist klug, arbeitet gewissenhaft in einem kleinen Laden und hat vor, aufs College zu gehen. Er begeistert sich für die Reden von Martin Luther King, Comics, das „Life Magazi 2000 n“ und wird von seinem High-School-Lehrer mit den Büchern von James Baldwin bekannt gemacht. Eigentlich ist er für das „Nickel“, wo ursprünglich Underdogs und kriminelle Jugendliche „gebessert“ werden sollten, eine komplette Fehlbesetzung.

Kein Verfahren, keine Verteidigung, keine Hilfe
Elwood landet dort, weil er beim Trampen ahnungslos in ein geklautes Auto gestiegen ist. Es gibt kein Verfahren, keine Verteidigung, der Anwalt verschwindet mit dem Geld der Großmutter. Es gibt einfach keine Hilfe.

In der Anstalt, einem Horrorkabinett, in dem sich die „white supremacy“ austoben darf, werden minderjährige Schwarze vom banal-bizarren Personal ausgebeutet, geschlagen, vergewaltigt, umgebracht. Der Autor schildert einen Raum, in dem wohlmeinende Mörder, Sadisten und Pädophile nicht die Ausnahme, sondern die normative Kraft des Faktischen verkörpern. Ihr Handeln entspringt der Logik des Systems. Während sein Freund Turner versucht, nicht aufzufallen oder anzuecken, verhält sich Elwood gemäß seinen Idealen – er will Unrecht verhindern oder zumindest anprangern, seine Würde bewahren, mit schrecklichen Folgen.

Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Roman die Chancenlosigkeit von Schwarzen im rassistischen System dieser Zeit darstellt, verschlägt einem den Atem. Dabei klagt Whitehead nicht an. Er erzählt, er singt, er schaut hin.


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Um was geht es in „Die Nickel Boys“?
1962 hält Martin Luther King eine elektrisierende Rede in der Zion Hill Baptist Church in Los Angeles. Sie erscheint als Schallplatte, die der 16-jährige Elwood zu Weihnachten bekommt. Der Junge ist ein schlauer Bursche, dessen einziges Problem seine Hautfarbe ist – Schwarz sein ist in den 1960er Jahren in Amerika keine besonders gute Voraussetzung für ein friedliches Leben. Dennoch erhält Elwood eine Zulassung zum College. Aus ihm könnte etwas werden. Doch ein dummer Zufall sorgt dafür, dass er in eine Polizeikontrolle gerät, die für ihn nicht gut ausgeht. Die Behörden stecken ihn in die Besserungsanstalt „Nickel Academy“. Und auch hier gibt es keine Gerechtigkeit: Die schwarzen Jungen werden härter bestraft als die weißen, bekommen das schlechtere Essen und sind der Willkür der Wärter hilflos ausgeliefert. Gewalt und Missbrauch sind an der Tagesordnung und Elwoods Leben verläuft völlig anders als geplant – und von den Ideen von Martin Luther King bleibt nicht viel übrig in seiner kleinen Welt …

Kritik zu dem Roman „Die Nickel Boys“:
Keine Frage: Colson Whitehead schrieb seinen Roman wie eine einzige Anklage. Erneut befasst er sich mit dem Thema Rassismus. Und was ob der überschäumenden Grausamkeit fiktiv wirkt, ist es nicht: Solche Besserungsanstalten gab es – einst fand man unter einer solchen Institution die vergrabenen Leichen von gefolterten und getöteten Insassen.

Whitehead hat all das gründlich recherchiert, und so erscheint sein Protagonist, der junge Elwood, als realistische Figur, einer unbarmherzigen und vor allem ungerechten Justiz ausgeliefert. Elwood versucht, sich in der „Nickel“ so zu benehmen, wie er es gewohnt ist: Freundlich, höflich, fleißig und aufrichtig. Vielleicht, so glaubt Elwood, schafft er es so, die Anstalt schnell wieder zu verlassen. Das ist ein Trugschluss, denn diese Eigenschaften bringen ihn hier nicht weiter – im Gegenteil bringen sie ihm nur mehr Schwierigkeiten ein, und er erfährt die ganze Härte dieses unbarmherzigen Systems.

Und auch für die Überlebenden ist nach der Entlassung aus dem Nickel nichts mehr wie vorher, ihr Leben nimmt in nahezu allen Fällen einen bitteren Verlauf. Das ist schwer zu lesen, weil es so authentisch wirkt und es zweifellos vorstellbar ist, dass es jemanden wie Elwood gab und vielleicht, irgendwo, immer noch gibt. Jemanden, dessen Leben durch Ungerechtigkeit und Willkür zerstört oder zumindest in Bahnen gelenkt wurde, die auch anders hätten verlaufen können.

Ein kleines Manko – zumindest ist dies mein Eindruck: So leidenschaftlich wie in „Underground Railroad“ wird Colson Whitehead in „Die Nickel Boys“ leider nicht. Der Ton in diesem Roman ist deutlich sachlicher, bisweilen distanziert, gelegentlich auch etwas sarkastisch. Es ist natürlich ein probates Stilmittel, das die Grausamkeiten einerseits scharf hervorhebt, andererseits den Leser auch vor zu viel Emotionalität schützt. Doch etwas mehr von dem anklagenden, emotionalen Stil aus „Underground Railroad“ wäre schön gewesen. Die nüchternen Beschreibungen nehmen der Geschichte an einigen Stellen den Flow.

Mein Fazit zu dem Buch von Colson Whitehead:
Letzteres ist, gemessen an der grundsätzlichen Qualität des Autors, schon eine Art Jammern auf höchstem Niveau. „Die Nickel Boys“ ist ein starkes, hervorragendes Buch mit einem schwer zu verdauenden Thema. Es ist Literatur, die gut und leicht lesbar geschrieben ist, aber nicht im herkömmlichen Sinn unterhalten will. Es hat einen Grund, warum Colson Whitehead einen Pulitzerpreis gewann, und der ist auch in diesem Werk zu erkennen.


Dunkle Kapitel
"Der New Yorker Colson Whitehead gilt spätestens seit seinem Roman 'Underground Railroad' als einer der großen Autoren der amerikanischen Literatur. Für das Buch, das die Odyssee einer Sklavin nachzeichnet, wurde Whitehead mit dem National Book Award und dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sein neuer Roman 'Die Nickel Boys', der gerade und zuerst auf Deutsch erschienen ist, beschäftigt sich abermals mit einem dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte." mdr Kultur

True Story
"Colson Whiteheads neuer Roman basiert auf einer wahren Geschichte von jungen Schwarzen, die in Zeiten der Rassentrennung in einer US-Strafanstalt brutal gefoltert und erschossen wurden." Zeit Online

Was Rassismus ist
"Colson Whitehead schildert den Horror in einer Besserungsanstalt für schwer erziehbare Jugendliche. 'Die Nickel Boys' zeigt, was Rassismus ist." Süddeutsche Zeitung

Großer Wurf
"Dem vielfach ausgezeichneten US-amerikanischen Schriftsteller Colson Whitehead ist auch mit seinem neuen Roman 'Die Nickel Boys' ein großer Wurf gelungen. Die Geschichte von Elwood Curtis, der sich Anfang der 1960er Jahre als guter Schüler darauf freut, als einer der ersten schwarzen Jugendlichen zum College gehen zu dürfen, der aber Opfer der rassistischen Justiz im Süden der Vereinigten Staaten wird, in einer Besserungsanstalt landet und dort von sadistischen Aufsehern gequält wird, ist so wahr wie erschütternd, so fiktiv wie real. Whitehead weiß auch in diesem Werk, entlang historisch verbrieften Begebenheiten im besten Sinne spannend zu erzählen, aus den Dokumenten ein literarisches sowie politisches Kunstwerk zu schaffen, das in seiner Mischung aus Sachlichkeit und Einfühlung überzeugt." SWR2

Atemlos
"Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Roman die Chancenlosigkeit von Schwarzen im rassistischen System dieser Zeit darstellt, verschlägt einem den Atem. Dabei klagt Whitehead nicht an. Er erzählt, er singt, er schaut hin." Deutschlandfunk Kultur
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
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14335 DR.E, Whi

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