Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger : Roman

Kaiser, Vea, 2019
2.5 Sterne
Bücherei Zams
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Medienart Buch
ISBN 978-3-462-05142-1
Verfasser Kaiser, Vea Wikipedia
Systematik DR.E - Romane, erzählende Gegenwartsliteratur
Schlagworte Humor, Familiengeschichte, Tod, Fiktionale Darstellung, Erzählende Literatur: Gegenwartsliteratur ab 1945, Wien, Geschwister, Abschied, Roadtrip, Balkan, Nachkriegszeit, Blasmusikpop
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Ort Köln
Jahr 2019
Umfang 418 Seiten
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Annotation Der neue große Roman der SPIEGEL-Bestseller-Autorin.
Voller Verve, Witz und Herzenswärme erzählt Vea Kaiser von einer Familie aus dem niederösterreichischen Waldviertel, von drei Schwestern, die ein Geheimnis wahren, von Bärenforschern, die die Zeit anhalten möchten, und von den Seelen der Verstorbenen, die uns begleiten, ob wir wollen oder nicht.
Als Onkel Willi stirbt, stehen der Drittel-Life-Crisis geplagte Lorenz und seine drei Tanten vor einer Herausforderung. Willi wollte immer in seinem Geburtsland Montenegro begraben werden. Doch da für eine regelkonforme Überführung der Leiche das Geld fehlt, begibt man sich kurzerhand auf eine illegale Fahrt im Panda von Wien Liesing bis zum Balkan. Auf der 1029 Kilometer langen Reise finden die abenteuerlichen Geschichten der Familie Prischinger auf kunstvolle Weise zueinander.
Mirl, die älteste der Schwestern, muss nach dem Krieg schon früh Verantwortung übernehmen und will nur weg aus dem elterlichen Gasthof, weg vom Land. Doch weder die Stadt noch ihre Ehe entwickeln sich so, wie sie es sich erträumte. Wetti interessiert sich bereits als Kind mehr für Tiere als für Menschen. Als Putzfrau im Naturhistorischen Museum kennt sie die Präparate der Sammlungen bald besser als jeder Kurator, und als alleinerziehende Mutter einer dunkelhäutigen Tochter schockiert sie die Wiener Gesellschaft. Und Hedi, die Jüngste im Bunde, lernt Willi zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben kennen, an dem sie mit selbigem fast schon abgeschlossen hat. Denn die drei Schwestern haben in jungen Jahren einen schweren Verlust erlitten. Und sie alle geben sich die Schuld daran.


Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Birgit Stessl
Vea Kaiser porträtiert in ihrem neuen Roman wieder eine Familie samt ihren Geheimnissen. (DR)

Als Onkel Willi das Zeitliche segnet, beschließen Lorenz und seine drei Tanten, den Leichnam im Auto nach Montenegro zu schmuggeln - dem Geburtsort von Willi und sein Begräbniswunschort. Was nach einem vergnüglichen Roadmovie klingt, ist nur zeitweise eines: In abwechselnden Kapiteln erzählt die Autorin die Familien- und Lebensgeschichte der drei Schwestern sowie jene von Lorenz und weiteren Familienmitgliedern, wobei sich Vergangenheit und Gegenwart abwechseln. Sie charakterisiert die Figuren, ihre Lebensgeschichten werden anekdotenhaft erzählt. Als Leser_in hat man vor allem die drei sehr unterschiedlichen, aber im Geiste stark verbundenen Schwestern bildlich vor Augen. Am Ende schließt sich der Kreis, alle Familiengeheimnisse sind gelüftet, und die Geschichte ist fertig erzählt.

Vea Kaiser legt mit ihrem dritten Roman ein solides und angenehm lesbares Werk vor, das dennoch hinter den beiden vorherigen Romanen zurückbleibt. Das Lüften der Geheimnisse ist vorhersehbar, alle enthaltenen Lebensepisoden - vor allem rund um die drei Schwestern - kann man ebenso als Kurzgeschichten lesen. Auch den Charme und den subtilen, unaufdringlichen Humor bzw. die Tiefe der Vorgängerwerke sucht man in diesem Buch vergeblich.

Leider stören auch einige Rechtschreibfehler den Lesefluss.

Fazit: Ein netter Zeitvertreib für den Sommer, den man lesen kann, aber nicht lesen muss... Lieber sollte zu den beiden ersten Werken von Vea Kaiser gegriffen werden.


Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen, Markus Fritz
Die Hauptfigur, Lorenz Prischinger, ist ein erfolgloser Schauspieler. Lorenz ist pleite, er wartet dringend auf ein neues Engagement, aber die Fernsehserie, auf die er all seine Hoffnungen setzt, kommt nicht zustande und auch vom Theater bekommt er schon lang keine Aufträge mehr. Er ist liiert mit Stephi, einer Altphilologin, die in Heidelberg an der Uni arbeitet. Als Stephi ihn verlässt, versiegt seine letzte Geldquelle. Lorenz muss seine Innenstadtwohnung vermieten, zum Glück gibt es noch die drei Tanten, die in Wien Liesing wohnen und die ihn mit Unmengen Schnitzel füttern. Und da gibt es noch Onkel Willi, der aus Montenegro stammt. Als Onkel Willi stirbt, wollen sie ihm den letzten Wunsch erfüllen: Willi will in seiner Heimat begraben werden. Und so machen sich Lorenz und die drei Tanten mit einem uralten Fiat Panda auf den Weg nach Montenegro. Onkel Willi sitzt tiefgefroren auf dem Beifahrersitz. In Rückblenden wird die Geschichte der Familie Prischinger erzählt. Die drei Schwestern wachsen in der Nachkriegszeit in einem Gasthof in Niederösterreich auf, der Vater ist im Krieg geblieben. Onkel Willi stammt aus Montenegro. Er heißt eigentlich Koviljo Markovic. Auch seine Geschichte und wie er nach Wien kommt und eine der Schwestern heiratet, wird sehr plastisch und detailreich erzählt. Das Motto der Familie lautet: "Niemand wird zurückgelassen." Zusammenhalt ist für die Familie alles. Dennoch gibt es in der Familiengeschichte einen dunklen Fleck. Jemand ist zurückgelassen worden.

Vea Kaiser erzählt wie in den beiden Vorgängerromanen witzig und detailreich von einer ungewöhnlichen Familie zwischen der österreichischen Provinz, Montenegro und Wien. Aufgrund der Fülle der Figuren und Orte hätte man sich als Leser einen Übersichtsplan und ein Personenverzeichnis gewünscht.

Gekonnt verknüpft die Autorin die verschiedenen Erzählstränge und überrascht den Leser manchmal mit ungewöhnlichen Wendungen. Vea Kaiser erzählt leichtfüßig und unterhaltsam, aber nie banal, von einer ungewöhnlichen Familie. Für alle Bibliotheken geeignet.



Literaturhaus Wien:

Der Tod ist ein mühseliges Geschäft

Man muss seine Toten pflegen. Damit sie den Lebenden wohlgesonnen bleiben. Manchmal muss man ihnen sogar einen letzten Liebesdienst erweisen. So dass die Geister der Toten zur Ruhe kommen und Gegenwart und Vergangenheit sich versöhnen können. Das hatte Lorenz von seiner Freundin, der Alt-Philologin Stephi gelernt. Wenn Manen mahnen hieß Stephis Dissertation über die Kommunikation zwischen Lebenden und Toten in der römischen Literatur. Sorgten die Lebenden nicht für eine Bestattung gemäß den Wünschen der Verstorbenen, verfolgten die Toten sie bis in den Schlaf. Wie der verstorbene Patroklos seinen besten Freund Achill im vorletzten Gesang der Ilias, erinnerte sich Lorenz.

Dass er selbst jemals in die Verlegenheit kommen würde, einem nahen Verstorbenen einen solchen Dienst post mortem zu erweisen, hätte Lorenz nie für möglich gehalten. Schließlich lebte er nicht in der klassischen Antike, sondern im Wien des 21. Jahrhunderts. Und Lorenz fühlte sich nicht gerade als antiker Held. Im Gegenteil: Er war an seinem bisherigen persönlichen und beruflichen Tiefpunkt angelangt. Stephi hatte ihn für einen anderen verlassen, sein einziges Engagement als Schauspieler war geplatzt, er war pleite. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern musste er sogar aus seiner Wohnung und zu Tante Hedi und Onkel Willi ziehen.

Dort findet Lorenz allerdings auch nicht die erhoffte Ruhe. Denn eines Tages liegt Onkel Willi tot in seinem Bett. Und Hedi und ihre Schwestern Wetti und Mirl bitten Lorenz um Hilfe. Willi wollte in seiner Heimat Montenegro begraben werden, doch eine Überführung könne man sich nicht leisten. Deshalb solle Lorenz die Leiche in Willis altem Panda zum Familiengrab fahren, bittet Hedi. Selbstverständlich führen sie alle drei mit. "Niemand wird zurückgelassen", erinnern die Tanten ihren Neffen an den Wahlspruch der Familie Prischinger.

Den Leichnam könne man vorher in der Kühlkammer von Mirls Verehrer, dem benachbarten Fleischer Ferdinand, einfrieren, schlagen die praktisch veranlagten Schwestern kurzerhand vor und machen sich gleich a 11c5 ns Packen. Natürlich nicht, ohne überreichlich Proviant mitzunehmen. Mit dem die drei Tupper-Königinnen mit ihrem Faible für Kümmel, Knoblauch und Frittiertes auf der 1029 km langen Reise nicht nur wunderbar sich selbst versorgen können. Auch diverse Grenzbeamte werden damit von ihnen bestochen. Lorenz hält sich derweil mit Energy Drinks wach, die er im Fußraum des langsam auf dem Beifahrersitz auftauenden Onkels aufbewahrt. Das skurrile Road-Movie mit den drei Schwestern in Pelzmänteln auf der Rückbank führt aber nicht nur zurück in Willis Vergangenheit, sondern auch in die der Familie Prischinger. Denn wie die Herkunft des Onkels, der eigentlich Koviljo Markovic heißt, umgibt auch ihre Familiengeschichte ein Geheimnis. Die Reise wird zum Rückwärtswalzer der Erinnerungen und bringt Verborgenes – aus dem Leben der fünf Kinder auf einem niederösterreichischen Bauernhof und der Kindheit eines Jungen zwischen den Weißen Bergen und dem montenegrinischen Meer – ans Licht: adelige Bärenforscher und kleine Brüder mit der Leidenschaft für riskante Zirkuskunststücke, unbekannte Väter und rothaarige Blutsschwestern, tragische Unglücksfälle und schicksalshafte Begegnungen. Erst mit der Bestattung Willis scheint die Vergangenheit in der Gegenwart angekommen zu sein: Die Toten geben die Lebenden frei.

Dass John Irving zu Vea Kaisers Lieblingsautoren zählt, merkt man auch ihrem neuen Roman "Rückwärtswalzer oder die Manen der Familie Prischinger" deutlich an. Nicht nur der Handlungsraum der skurrilen Großfamilie Prischinger, auch Motive wie die Zirkusleidenschaft, wilde Bären sowie schicksalhafte Liebesbegegnungen zwischen Krankenschwestern und Patienten kommen einem beim Lesen irgendwie bekannt vor. Zudem erinnert die Mischung von heiteren Szenen, lustigen Dialogen und verrückten Figuren mit tragischen Schicksalsschlägen und Kritik an gesellschaftlichen Normen sowie traditionellen Geschlechter-Rollen an Irvings Werke. Irvings literarisches Erfolgsrezept verfehlt auch in Vea Kaisers neuem Roman seine Wirkung nicht. "Rückwärtswalzer" ist eine erzähltechnisch spannend konstruierte Geschichte, die amüsant geschrieben ist und sich leicht liest. Für manchen Geschmack vielleicht etwas zu leicht. Der Roman schmeckt ein bisschen nach Gummibärchen-und-Chips-Prosa. Es ist für jede(n) etwas dabei: 'was Süßes, 'was Saures und 'was Salziges. Alle mögen es. Am Ende macht es keinen wirklich satt.

Michaela Schmitz
07.03.2019
Bemerkung Katalogisat importiert von: Deutsche Nationalbibliothek
Exemplare
Ex.nr. Standort
14111 DR.E, Kai

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